Die Nächte im Dummkowski 2


Zehn vor zehn am Morgen in die Kissen sinken, nichts mehr wollend, als schlafen, was doch sonst eine Zeitvergeudung scheint, weil in der Zeit des Schlafs nichts anderes getan werden kann. Veritabler Party-lag, die Zeitverschiebung, die eintritt, wenn der Körper immer noch auf den Lärm und die schlechte Luft und den Alkohol programmiert ist, der Kreislauf ganz oben. Und außerdem das Bedürfnis, etwas von diesem Moment aufbewahren zu wollen. Zwölf verdammte Stunden haben wir gerockt, wankten um halb zehn oder so aus dem Laden und nach Hause, und es war ein heller Morgen, kühl, trocken, ein joggendes Pärchen lief durch uns hindurch wie Hologramme oder Projektionen, die vielleicht auch wir waren, alle Materie von der beißenden Luft des Raumes absorbiert, in dem wir gefeiert hatten.
Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt waren alle zu Hippies konvertiert, wahrscheinlich, ohne es zu merken, aber ich hatte gemerkt, wie im Licht, das durch die Glassteine in der Wand erstes Tageslicht schien, die Konturen weich wurden, auch wenn Slayer lief, und … And You Will Know Us By The Trail Of Deads „A Perfect Teenhood“, wo sie am Ende nur noch „fuck you! fuck you! fuck you!“ schreien, auch wenn meine jüngste Romanze dem Ansturm beinahe – und auf längere Sicht sowieso – nicht gewachsen war, weil ich keine Lust hatte, noch bevor die Party wirklich begonnen hatte, zweisam zu werden, dafür würde später Zeit sein, wie ich dachte, was mir die andere an der Affäre beteiligte Person ein wenig übel nahm, später dann mit einem Typen Zärtlichkeiten austauschte, was ich vom DJ-Pult aus gut sehen konnte und mich durchaus amüsierte, weil sie entweder einfach ihren Spaß hatte, und dafür war die ganze Sache ja da, oder eben eine etwas hilflose Retourkutsche fuhr – nur wohin? – jedenfalls nicht über die Ziellinie, und dann später wusste sie nicht, ob ich sie überhaupt ernst nähme. Jedenfalls ging sie um halb vier oder so, nicht, dass ich danach unkeusch geworden wäre, aber im weichen Licht des Morgens freute ich mich über die Freude einer entfernteren Bekannten oder einer guten Freundin, dass wir ganz eng aneinander tanzen wollten, und wer würde das so ohne weiteres verstehen, würde nicht vielleicht an der Aufrichtigkeit meiner Zuneigung zweifeln, die zumindest für den Moment durchaus tiefer sein mag zu einer Frau, mit der ich vielleicht ein paar Jahre zusammenwohnte, es ist schließlich kein verdammter Wettbewerb, wohin Menschen neigen, aber Dramen gibt es schließlich wegen sowas immer wieder bei manchen Leuten. Warum man der Frau auf den Hintern geschaut habe, oder warum sie denn sich auf irgendeiner Party so eng und lang mit diesem ungewöhnlich gut aussehenden Typen unterhalten habe, da war doch bestimmt mal was, oder warum sie dem Typen auf den Hintern geglotzt, oder er sich zum gegenseitigen Gefallen flüchtig am Busen einer ungewöhnlich attraktiven Frau rieb, jedenfalls die ganze unangenehme Eifersuchtsszen-arie, die immer auch unangenehm ist und grell in den Ohren und es auch sein soll, weil Fesseln schließlich weh tun müssen, wenn sie fest halten sollen, aber es ist nicht damit getan, nicht eifersüchtig sein zu wollen, es geht nicht ohne den umgesetzten Entschluss, auch das zuzulassen, was jeweils den aktuellen Auslöser von Eifersucht als Ausdruck der Zwingburg „Treue“ bildet, die auf dem Treibsand leidenschaftlicher Schwüre gebaut ist.
Die späten Stunden dieser Feier gingen ohne das. Die Atmosphäre war gar nicht einmal sexuell, vielmehr lösten sich Grenzen zwischen Sex und Liebe und Freundschaft auf, hätten unterstützt von Drogen die Illusion nähren können, es würden dies Verhältnisse sein, die nun so bleiben würden, weil auch kein Gedanke an eine spätere Zeit Platz hatte. Nur dass nicht einmal für diesen Gedanken Platz war.

(aus Trust # 95)

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