Man kann ja auch jetzt schonmal dafür werben: Auf dem Music Unlimited in Wels spielt dieses Jahr mal wieder meine Diseuse Nummer eins. Carla Bozulich. Unter anderem mit Gitarrengott Nels Cline – als Scarnella. Wahrscheinlich erstmalig in Europa.
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Monat: Juli 2010
DIE VERDAMMTE DULDSAMKEIT DER OPTIMISTiNNEN
Eine Bekannte schrieb gerade aus San Francisco, dass es auch dort grau und kalt sei. Und hier, draußen im Park hatten die stehenden Gewässer zwar schon angefangen zu rotten und entsprechend zu stinken als hätte es Hitze, aber auf den Wegen tummelten sich Nacktschnecken in einer Häufigkeit, die seit dem Frühling nicht mehr der Fall war. Nicht wenige dieser Schnecken hatten ihr jämmerliches Schneckenleben bereits ausgehaucht, falls Schnecken überhaupt hauchen können, und lagen, ihre Gedärme vergleichsweise großzügig auf mehrere Quadratzentimeter Wegs verteilt, matschig umher. Vermutlich hatten sadistische Halbwüchsige die Viecher auf dem Gewissen, oder, wahrscheinlicher noch, rücksichtslose Radler, die sich auf ihren zwei Rädern ohnehin wie die Könige der Parkwege aufführten, wobei sie sich zu allem Überfluss auch noch moralisch über Autofahrer zu erheben pflegten. Heute waren zum Glück nur wenige Menschen im Park unterwegs. Es war nun auch wirklich nicht eben das heiterste Vergnügen, entlang der vom Regen vor ein paar Stunden immer noch matschigen Wege zu streifen und die schüttere Abendsonne zu suchen. Da, wo sie zu sehen war, hatten sich auf sämtlichen verfügbaren Bänken bereits Menschen gefunden, die mit verklärtem Gesicht noch ein paar Strahlen zu erhaschen suchten, wie sie selbst es vielleicht nennen würden.
Wir hatten Mitte Juli, fast auf den Tag genau, und draußen sah es aus wie Ende September. Dass es in San Francisco nicht viel anders aussah, konnte da auch nicht allzuviel reißen. Dazu kam, dass auch ansonsten die Lage nicht eben dazu angetan war, Bocksprünge aus schierem Wohlsein zu vollführen. Nicht, dass etwa irgendwelche sonderlich ungewöhnlichen Härten auf die Agenda getreten wären. Aber die gewöhnlichen taten ihre Wirkung schließlich auch – auf ihre unverdrossene, gewohnte Art. Und dass das schon die gewöhnlichen waren, war genau genommen eigentlich ja auch alles andere als erfreulich. Sich dann auch noch mit Leuten zu unterhalten, die schlichtweg nichts Besseres zu tun hatten, als ihre Notwendigkeiten „Chancen“ zu nennen, war in meiner Stimmung ganz besonders unerquicklich. Mal im Ernst: Zu behaupten, der bloße und kaum fort zu ignorierende Zwang, sich mit vermittels irgendwelcher Jobs am Kacken zu halten, eröffne gewissermaßen eine hervorragende Möglichkeit, just dieses zu tun, übersieht nicht nur, dass diese Chance gleichzeitig für gewöhnlich auch die einzige Chance für diesen Zweck ist, sondern spricht dem, was sonst so als Chance verstanden wird, Hohn. Laut Duden ist eine Chance schließlich und immerhin eine „günstige Gelegenheit“. Und wie günstig kann schon eine Gelegenheit sein, die da gar keine Alternative kennt?
Neulich, auf dem Flohmarkt Miles Davis‘ „Filles de Kilimanjaro“ für 15 Mark mitzunehmen, mochte eine „günstige Gelegenheit“ gewesen sein. Aber mit Blick auf die Nötigung, sogar für die allernotwendigsten Lebensmittel ein paar Mark auf den Tisch legen zu müssen, ganz grundsätzlich von Chancen zu reden, ist einigermaßen absurd.
Ein solcher Optimismus ist überdies auch noch einigermaßen unangreifbar, da er schließlich auf einem Willensakt beruht, der sich ganz wissentlich davon verabschiedet hat, die Verhältnisse einmal als das zu nehmen, was sie sind. Welche Konsequenzen ein jedes daraus zieht, ist ja sowieso eine andere Geschichte, aber zu der kommt ein Optimist nicht erst. Er besteht darauf, dass erstens die Möglichkeit, zweitens das denkbare Schlechtere und drittens ganz überhaupt die Unzufriedenheit, die aus dem potenziellen Zustandekommen eines negativen Urteils erfolgen könnte, Gründe genug abgeben, die jeweils zur Debatte stehende Sache grundsätzlich lieber gleich positiv zu sehen. Und dann komm‘ mal so jemandem damit, etwaige Unzufriedenheit mit diesem und jenem zu konstatieren! Vergiss es – damit machst du es nur noch schlimmer.
Wer bei der Feststellung seines Befindens so gründlich von seinen Bedürfnissen absieht, lässt sich mit zwingender Logik ja nicht von Kleinigkeiten wie materiellen Bedürfnissen irritieren. Nicht nur, weil es mit deren Umsetzung schließlich stets noch bescheidener aussehen könnte, nein, weil materielle Bedürfnisse auch den Makel des Profanen tragen, denn es gibt ja schließlich noch „mehr als wie Geld auf der Welt“, so lautet der Befund, mit dem sie so recht haben, dass sie anscheinend gar nicht mehr wissen, wie sehr ihre Feststellung den Tatsachen entspricht. Sie tun damit schließlich glatt so, als sei ihnen gar nicht aufgefallen, dass sie mit dem Geld, dass sie in all‘ den tollen Jobs so verdienen – was ja in ihren Augen auch wieder so eine schätzenswerte Sache an diesen Jobs ist, und noch nicht einmal die einzige – sich immerhin so viele jener verachteten materiellen Bedürfnisse befriedigen, dass am Ende meist nichts mehr vom schnöden Mammon übrigbleibt. Ist das nun verlogen oder ignorant?
Und das berührt noch gar nicht die immateriellen Bedürfnisse, für die man in einem Land wie diesem für gewöhnlich ja auch noch mal eine schöne Stange Geld los wird. Womit wir wieder bei Miles Davis wären.. Oder ist das etwa schon wieder mein Materialismus, der sich regt, wenn ich mich an Tony Williams‘ verdrechselt pulsierendem Spiel erfreue? Oder, um ein weniger profanes Beispiel zu wählen (ich habe übrigens gegen Materialismus hier gar nichts gesagt), ist es dieser verächtlichen Regung geschuldet, dass ich die stumpfe Verrichtung von Erwerbsarbeit kürzlich für einige Tage dagegen vertauschte, mit einigen äußerst liebenswürdigen Menschen durch die norddeutsche Tiefebene zu fahren und meine Klausur am heimischen Schreibtisch, an dem jetzt auch das hier entsteht, zu unterbrechen, dieses oft so auslaugende Hocken und Zeilenschinden, das bisweilen sicher auch Spaß macht, was dann wieder von Optimisten so gnadenlos zur Chance umgedeutelt wird, weil es ja angeblich meinen Neigungen entspricht, dieses Hocken und Zeilenschinden also… Dass ich es eingetauscht habe gegen Spaziergänge in strömendem Regen, gegen das Herumsitzen auf einer Treppe, die hinterrücks an einem der Clubs angebracht war, in dem besagte liebenswerte Menschen am Abend Musik gemacht hatten, gegen das Trinken und Rauchen auf dieser Treppe bis die Sonne aufgegangen war, gegen ein ausgelassenes Tänzchen zu Gene Pitneys „Lonesome Town“, nachdem mein Verstand schon Schlafen gegangen war, gegen verkaterte Frühstücke und andere merkwürdige Bekanntschaften?
Den Preis dafür auszurechnen habe ich mir erspart. Das hätte den in diesem Falle zuvörderst ideellen Gewinn beschränkt, aber auch der war schließlich zuschlechterletzt zu erkaufen. Nicht nur, dass das, was die ganzen Gründe dafür abgibt, sich mit all‘ den Unannehmlichkeiten abzugeben, nicht selten auch mit matt klingender Münze zu entlohnen ist. Auch die Dinge, die zur Ausnahme einmal nicht mit einem Preisschild ausgezeichnet sind, lassen sich nicht so eben von dem trennen, was da ganz nackert als Konsequenz einer auf Privateigentum basierenden Volkswirtschaft im Wege steht. Es hat wahrscheinlich auch mit den Folgen zu tun, die recht willkürlich mit dem biologischen Lebensalter verknüpft werden, dass sich in meinem Bekanntenkreis allerlei Beispiele dafür finden lassen. Nicht, dass sich in meinem Fall allzu viele Fälle finden ließen, die sich für die nächsten Jahrzehnte in Fabriken würden ruinieren müssen. Auch die, die sich in den privilegierten, in gewissen Kreisen durchaus begehrten Berufen, wie dem des Arztes, Anwalts oder Lehrers, ihr Vollkornbrot verdienen würden, gaben nicht gerade Grund ab, dass die zu erringenden Lorbeeren süße Früchte, die zu pflücken ein reines Vergnügen wäre. Was würde schon noch übrig bleiben, nachdem die unbezahlten Überstunden abgerissen, die Ärsche durchkrochen, die vor einem Platz an der Sonne sich breit gemacht, die illusorischen acht Stunden eines Arbeitstages absolviert und die davon notwendige Erholung noch obendrein erledigt wäre?
Wohl dem, der Erfüllung darin findet, dem herankeimenden Nachwuchs des deutschen Volkes per Schulnote den Platz im Gefüge zuzuweisen. Wohl dem, der die dieser Gestalt ihren Anlagen gemäß in der Konkurrenz um die vielen schönen „Chancen“ gestellten Bürger nach entsprechendem Verschleiß verschlissenen Kaputten für ihre jeweiligen „Chancen“ wieder zurecht flicken darf. Wohl dem, der jenen, die sich im Kampf um das, was einem jeden gleich an Recht zugebilligt wird, beistehen darf. Wohl dem, der vermittels aufopferungsvoller Recheche als Teil der vierten Gewalt im Staate darauf achten darf, dass auch alles im Sinne der Väter und Mütter unseres freiheitlichen Grundgesetzes weiterhin seinen, für uns alle so chancenreichen Gang gehen möge. Auch morgen wieder. Auch morgen geht dieser ganze beschissene Betrieb weiter. Das ist wirklich noch sicherer, als das Amen in der Kirche, drauf werd‘ ich meinen Arsch zwar bestimmt nicht verwetten, aber es sieht schon sehr danach aus. Eine gute Nacht noch, euch da draußen.
stone
(aus Trust # 83)
DIE NEUJAHRSWÜNSCHE DER MUTTER OBERIN
Ich habe die Zukunft dieses Landes gesehen! Auf einer Party, auf der wieder Alle betrunken waren, und auf der sie sich wiedertrafen, auch wenn sie die letzten Jahre damit verbracht hatten, genau das zu vermeiden. Alle die, die schon lange nicht mehr in einer der drei Kneipen gesichtet wurden, die man in dieser Stadt noch besuchen konnte, wenn man halbwegs unentwegt war und nicht ohnehin besseres mit seiner Zeit anzufangen wusste oder musste.
Heimkehrende Königinnen waren sie allesamt nicht geworden, dazu hatte es dann doch nicht gereicht, auch wenn einige von ihnen in die Welt gezogen waren in dem scheinbar unumstößlichen Willen, ebendies zu werden, Knäbelein wie Mägdelein. Einige von ihnen waren bei der Feststellung des kaum zu übersehenden noch nicht ganz an ihrem Ende angelangt. Solche Leute hatten gleich andere Arten der Feierlichkeit gewählt und sich den Verlust der Hoffnung zu ihrer ohnehinnigen Absicht zurechtgelogen.
Wer noch Advokat werden wollte, mochte zwar wissen, dass er im Zweifelsfall auch seinen Teufel würde vertreten müssen, was manchen den brenzligen Geruch der versengten Federn eines Überfliegers, das Aroma von Gefahr in die Nase trieb, woran sie sich ergötzten, andere würden mit der Differenz von Recht und Gerechtigkeit eher ein Problem haben, die dem Idealisten schließlich ein Gräuel sein muss. Wer den Mühseligen und Beladenen Trost Hilfe spenden wollte, in dem er Arzt, sie Psychologin wurde, konnte in der Theorie noch übersehen, wofür man ihn wirklich bezahlen, womit wirklich beschäftigen würde. Wer sich nun kein Haus gebaut hatte, würde sich keines mehr bauen, glaubten wir Studenten der Architektur, die sich unversehens zu besseren, wenn auch nicht besser bezahlten Ingenieuren degradiert sahen, beklagten, ihre Kreativität nicht ausleben zu können.
Wer nach der von Vater Staat spendierten wie erzwungenen Schulung bereits im Wettbewerb unterlegen und dadurch von den höheren Weihen jenes höchsten Gutes, der Bildung ebenso ausgeschlossen war, wie von allerlei Möglichkeiten, sich einen Unterhalt zu verdienen, der das Nötigste um ein Feststellbares überstieg, kurz gesagt, wer eben nur ein ganz gewöhnlicher Besitzloser war, konnte sich derlei Gedanken natürlich ohnehin sparen.
Wer indes noch einen bürgerlichen Beruf vor sich hatte, also beispielsweise Lehrer, Journalist oder Akademiker werden konnte, hatte noch das zweifelhafte Vergnügen, sich dies als ihm oder ihr gerecht zu verstehen, bevor sich dieser Idealismus schließlich an der Realität die Zähne ausbeißen würde, wenn er oder sie nicht zu denen gehörten, die mit Erlaubnis des Zufalls, an den viele nicht glauben wollten, weil sie sich dies lieber zur eigenen Leistung zurechtlegten, sonst wäre es einfach zu profan, denn dann hätte ja auch beliebiges Mitglied des Pöbels, ah, Verzeihung, des Plebs (das klingt so herrlich nach Plebiszit)… Daran wagten sie nicht zu denken,weil sie sich besser dünkten. Vielleicht nicht besser, aber zumindest doch ein wenig klüger. Und wahrscheinlich doch auch ein bisschen etwas Besonderes, so jedes auf seine Weise.
Was mich mit ihnen verband, mich von ihnen trennte, was ich vielleicht mit ihnen geteilt hatte, Feinde, Freunde oder das Lager, Bier, einen Proberaum oder eine Wohnung, Ideen, Geschmack oder den Innenraum eines Autos, es mag ja so manches gewesen sein; es spielte in den seltensten Fällen noch eine Rolle, und in den meisten bedauerte ich’s nicht. Überdies war es in hohem Maße gleichgültig, weil schließlich alle betrunken waren, auf die überschäumende Art, denn alle dachten, es sei nun ausgerechnet diese eine ganz besondere Nacht, vielleicht aber auch nur, weil sie sich vorher aufs Angenehmste hatten den Wanst vollschlagen lassen, oder weil sie sich eben einfach freuten, auf dieser verdammten Party zu sein.
Ständig stießen sie zusammen an den Türen, wo sich die Ströme verjüngten, zumindest bildlich gesprochen, und erkannten sich. Einige hatte ich seit zehn Jahren nicht mehr gesehen. Zu sagen, wir hätten uns nicht verändert, wäre niemandem eingefallen. Naja, mir schon. Einige von ihnen waren sich in bemerkenswerter Manier treu geblieben, so hatte es den Anschein.
Es muss mehr als die bloße Unwissenheit sein, die jene Arroganz hervorruft, mit der sich das, was vorlaut Jugend genannt wird, bisweilen auszeichnet. Mehr als der Leim, auf den geht, wer die Versprechen der Glücksschmiede, in der jeder frei sein eigener Entrepreneur sein darf. Der scharfe Tadel, den sich Menschen zuziehen, und der unter den Titeln „Spießertum“, „Arriviertheit“, alternativ, je nach Verlauf aber auch „Verlierertum“ firmiert, vorgeschaltet vielleicht noch der Spott über die „Erwachsenen“. Das immanente Besserwissen, das doch in annähernd jedem Fall den Beweis nicht antritt, sonst würde sich dieses bürgerliche Trauerspiel nicht zum Erbrechen wiederholen.
Sie alle beginnen mit den gleichen Chancen, so lautet die Behauptung, die immer wieder gern genommene, und der eine neigt eben eher zur proletarischen Lebensart, der andere, der ist eben ein echter Machtmensch. Und die, die wissen, wie der Hase läuft, die gibt es auch. So einer saß neulich mit mir im Abteil zwischen Hamburg-Altona und Bahnhof Zoo. Er war ganz unten gewesen. Er hatte Bier auf Hawaii verkaufen wollen, der Melodie eines alten Liedes folgend, demzufolge es kein Bier dort gebe. Erstens stimmte das nicht, aber zweitens hatte er auch kein Geld für die Investition gehabt. Er hatte auch einen Klempner-Notdienst eröffnet, eine kleine Backstube gegründet und sogar, als er dies erzählte, senkte er die Stimme, mit Marihuana gehandelt. Er trug eine Plastiktüte voller Bierdosen bei sich, bezüglich derer er sich überaus spendabel erwies, nicht zu vergessen, dass er mir sogar ein wenig Bares gab, damit ich mein Zugticket zur Gänze bezahlen konnte.
Jedenfalls machte er in Fertighäusern. Er sei auf dem Weg nach ganz oben. Ich saß im gleichen Zug wie er. Der Zug fuhr nicht nach oben. Er habe herausgefunden, wie man’s macht. Verraten hat er es mir natürlich nicht.
Ob er mir hätte erklären können, warum es soviel mehr Seketärinnen als Schauspieler, mehr Fließbandarbeiter als Schriftsteller, mehr Hausfrauen als Fabrikbesitzer und mehr Arbeitslose als Photomodelle gibt?
Sich zu verwirklichen ist keine Erfindung geläuterter esoterischer Alt-Hippies. Es wimmelt nur so vor Leuten, denen es stets daran gelegen ist, sich das im Beruf erreichte als ganz persönliche Leistung zurechtzulegen. Jeder nach seiner Fassong eben. Erzähl‘ das deinem Müllmann. Auf die Gefahr hin, dass er bereitwillig den gleichen Sermon erzählt.
Biographien gehen auch so. Leute, die „es“ geschafft haben, die haben es eben geschafft, weil sie an sich geglaubt haben. Durch jede Durststrecke hindurch haben sie sich immer wieder eingehämmert, dass du an dich glauben musst. Der Erfolg gibt ihnen schließlich recht. Sonst hätte es ja wohl auch nicht…
Niemand gibt den gleich Senf heraus, kommt er von jemandem, der mit der gleichen Rezeptur scheitert. Das will niemand lesen. Das verkauft sich nicht.
Letzte Ausfahrt Verzichtsmoral.
Das Schicksal. Es hatt‘ nicht sollen sein. Muss ja. Hilft ja nix, kannst nix machen, was soll’s, iss so. Den Käse wollte mir sogar jemand nach gescheitertem Koitus erzählen: „Vielleicht soll es einfach nicht sein mit uns…“ Es hatte dann doch noch sein sollen.
Oder die Zeit ist noch nicht reif für dich. Schau mal, mussten nicht alle großen Geister darben? Musste nicht Van Gogh sich erst ein Ohr abschneiden (Und nichtmal das hat was genützt)? Musste nicht Beethoven erst taub werden? (Um die Neunte zu schreiben?) Bukowski Postbote? (Um „Fast eine Jugend oder das Schlimmste kommt noch“ zu schildern?)
Könnte es denn nicht alles noch viel schlimmer kommen?
Da ist dann mit einem Mal aller Optimismus perdu und bleibt doch bei sich und er selbst.
Der stete Abgleich mit den durchaus wahrgenommenen Unannehmlichkeiten, um sich leuchtende Farben auf den Horizont der Zukünftigkeiten zu malen. Wenn es schon immer schlimmer kommen kann, dann kann es ja so schlimm schon nicht kommen. Wird schon irgendwie werden.
Klar, wird es irgendwie werden. Lediglich das „Irgendwie“ stört.
Irgendwie.
Irgendwie schweife ich ab.
Irgendwie habe ich auch einen im Kahn. Weil es manchmal ganz nett ist, sich einen Rausch zu verschaffen, da sich die ganze Scheiße auch nach Besorgung der täglichen Notwendigkeiten nicht in Wohlgefallen auflöst. Auch wenn die Miete gezahlt ist. Auch wenn es schlimmer kommen könnte. Im Moment sieht es sogar so aus, als würde es genau das tun.
To be concluded…
stone
Aktuelle Lieblingsschallplatten in loser Folge, 3
SWEET APPLE – ‚Love & Desperation‘
Um eine lange Geschichte kurz zu machen: J Mascis rettete ein Leben mit dieser Band, indem er John Petkovic so aus einer existenziellen Krise half. Die Beteiligten sind neben Mascis und Petkovic, den manche von Guided By Voices kennen könnten, Dave Sweetapple, mit dem Mascis auch bei Witch musiziert, sowie Tim Parnin, der wiederum mit Petkovic bei Cobra Verde aktiv war. Gestandene Herren also, die hier nicht völlig überraschend solide und mit maßvoller Härte rocken, irgendwo zwischen den Leaving Trains, Thin Lizzy und Black Sabbath, zwischendurch streuen sie ein paar ruhigere Songs ein. Unverkennbar natürlich: Mascis‘ Gitarre, aber auch das Schlagzeugspiel trägt seine Handschrift. Und singen tut er natürlich zwischendurch auch, aber das wirklich nur assistierend zu Petkovic‘ leicht nasalem, coolem Rock-Crooning, das die lebensgegerbte Lyrik angemessen trägt. Das liest sich nun etwas unspektakulär und ist es wohl nüchtern betrachtet auch. Allerdings muss man derlei Dinge nun auch nicht immer nüchtern betrachten. Und das soll nicht heißen, dass man sich das hier schöntrinken müsste. Vielmehr sei Folgendes empfohlen: Nehmt das Ding mit auf eure nächste Autofahrt, macht das Fenster auf, zündet euch eine Zigarette an. Hab ich in den letzten Wochen vergleichsweise regelmäßig gemacht. Taugt. Sehr.
Tee Pee Records/Cargo