melvins /hostile ambient takeover &
melvins & fantômas /millennium monsterwork
ipecac/EFA
Nach der Trilogie „Maggot“, „Bootlicker“ und „Crybaby“, einer Sammlung von Raritäten sowie der unhörbaren „Colossus Of Destiny“ war die Frage interessant, was bei den Melvins noch kommen könne. Ihr neustes Album verblüfft zuvörderst durch die Leichtfüßigkeit, mit der es Antwort gibt. Zwar legen die Melvins gewohnt kompliziert vor, aber in einem Tempo wie seit „Stoner Witch“ nicht mehr. Das zweite Stück zerfällt binnen kurzem in reines Geräusch; „Little Judas Chongo“ hat Riffs, die fast wie ZZ Top mit der irrwitzigen Rhythmik der Melvins klingen; „The Fool The Meddling Idiot“ überrascht durch Synthesizer, wie sie Neil Young auf „Trans“ einsetzte. Der finale viertelstündige „Hostile Ambient Takeover“ entpuppt sich schließlich als bester Melvins-Kriechrock. Ein würdiges Album. Vor eineinhalb Jahren taten sich die Melvins mit einer anderen unglaublichen Band zusammen, den Jahreswechsel mit einem besonderen Happening zu begehen. Die Fantômas-Melvins-Bigband live in San Francisco, ein Programm aus beider Bands Repertoire, gemeinsam eingespielt, das kann nur eines sein: gut.
sonic youth /murray street
universal
Schön auf jeden Fall, dass auch nach einundzwanzig Jahren noch soviel Bewegung in dieser Band ist, dass sie uns immer noch überraschen kann. Nach den beiden letzten grandiosen, eher experimentellen Alben klingen Sonic Youth auf „Murray Street“ zumindest auf den ersten Blick geradezu poppig wie lange nicht mehr. Und das, wo seit „NYC Ghosts And Flowers“ Jim O’Rourke fester Bestandteil der Band ist, der sich die Zeit ansonsten ja gern auch mit elektroakustischen Experimenten vertreibt. Aber so offensichtlich wie es zunächst scheint, ist es mit „Murray Street“ nicht. „Karen“, das vierte Stück, verliert sich auf halber Strecke in einem grandiosen Klangbad, wie es Sonic Youth nicht zum ersten Mal ansetzen, aber mit einer Delikatesse, die sich aus dem Dilettantismus der frühen Jahre beinahe notwendig entwickelt hat. Oder das berückende Finale „Sympathy For Strawberry“, dessen Songstrukturen bald verblassen und sich in flirrenden Sounds verlieren. Sonic Youth klingen auch hier nur nach sich selbst. Und um Missverständnissen vorzubeugen: Es gibt hier in der Tat eine Reihe wirklich schöner Songs, die selten bei Sonic Youth so Pop waren.
35007 /liquid
stickman /indigo
Jahrelang war außer einer EP, wenigen Konzerten und Nachrichten über ihren ausgewanderten Sänger wenig von den Holländern zu hören. Mit letzterem Problem haben sich 35007 (über Kopf „Loose“ zu lesen) inzwischen eingerichtet. Und es hat ihrer Musik alles andere als geschadet. Als normale Rock-Formation waren sie schon gut, aber auf „Liquid“ (Untertitel: Original Sound Track Recording) spielen sie ihre Stärken erst richtig aus. Auf dem Cover ist ein Mensch zu sehen, der in eine Woge eintaucht, die ihn im blauen Unterwasserlicht forttragen wird. Und tatsächlich brandet diese Musik gleichsam in Wellen über einen herein (das erste Stück heißt „Tsunami“). Ab und an offenbart sie feinere Strukturen, wie die weich klagende Steelguitar von Rene van Barneveld, aber der Sog bleibt erhalten, geht nicht durch selbstverliebtes Gegniedel verloren. „Liquid“ ist wie ein Strom, der keine Egotrips erlaubt. Eine beeindruckende Rückkehr.
o.s.t. – chelsea walls (ryko/cargo) Jeff Tweedy von Wilco schrieb die Musik für Ethan Hawkes Regie-Arbeit „Chelsea Walls“. Anders als Wilcos neue schon nach der Trennung von Jay Bennett entstanden, ist die Musik hier – abgesehen von einigen Songs – ein Score im engeren Sinne: erkennbare Handschrift, offene Form, fast ein wenig wie Neil Youngs Soundtrack zu „Dead Man“.