Ever since i’ve been visting Oakland this place is waiting for something to happen:
Die Sache nimmt wieder Fahrt auf. Sandy Rothman, der sich immer wieder auch theoretisch mit Bluegrass befasst hat, mit Jerry Garcia spielte und in Japan Bluegrass-Musiker traf und mit ihnen auftrat, treffen wir heute, er empfahl uns außerdem, Butch Waller von High Country aufzusuchen, der wisse mehr über Bluegrass in Kalifornien. Treffen wir morgen. Gestern haben wir uns die Bluegrass Session im Stork Club, Oakland angeschaut. Montagabend ab 21 Uhr wird dort seit eineinhalb Jahren jede Woche gespielt. Anfangs gibt es deutlich mehr Musiker als Publikum. Nach einer Weile kommt die Musik auch aus dem Hinterzimmer, was ein paar der normaleren Gäste ein bisschen nervt, weil damit der Billardtisch und die anderen Spielgeräte blockiert sind. Zum Glück gibt es einen Außenbereich, wo man mit dezenter Bluegrass-Beschallung rauchen und Bier trinken kann. Ein paar der Hipster aus dem Biergarten nebenan schauen vorbei. Und einige von ihnen kommen offenbar, um Bluegrass zu hören. Zwei Sessions laufen parallel, immer wieder kommt jemand Neues dazu, Alte und Junge spielen zusammen, eine junge Gitarristin hält sich jenseits des Billardtischs und spielt leise mit. Die Jungen lernen von den Alten, sagt Polly, eine Fiddlerin. So hat sie auch die Fiddle gelernt. Über zehn Jahre lang hätte sich die East-Bay-Szene in Alameda getroffen, bis es einem Nachbarn zu bunt wurde. In Marin und San Francisco gebe es auch Szenen, offenbar bleiben die weitgehend unter sich. Und ob wir Tom kennen? Der arbeitet bei Arhoolie, einem Roots-Label, und ist offenbar Urgestein der Session. „Der weiß alles über Bluegrass“. Vielleicht können wir den auch noch treffen. Wir versuchen’s. Eigentlich müsste man die Gegend hier mal eigens unter die Lupe nehmen, inklusive Hardly Strictly Bluegrass Festival. Und einen Container mieten, um bei Amoeba in Berkeley die Country-Abteilung auszuräumen…
Monterey – auch nicht mehr, was es mal war. Heute machen sie dort gleich Sushi aus den Sardinen. Und das Aquarium ist überrannt von Familien. Anstrengend. Deutlich weniger frequentiert ist das Steinbeck-Museum in Salinas. Und zwei Häuser weiter wirbt ein Lokal damit, dass der Meister einst in ihm gegessen hat. Gedenkfrühstück.
Auf der Suche nach einem ruhigen Stück Strand landen wir in einem Areal mit verlassenen Baracken. Schön und ein bisschen beunruhigend.
Und dann dieser Strand, Pelikane, ein paar Delphine.
Am Montag kommen wir schließlich in San Francisco an, treffen einen anderen Reisenden, der von Norden kam und sich durch die Brauereien am Weg getestet hat.
Ein bisschen North Beach, ein bisschen Chinatown, eine Visite im City Lights Bookstore. Am Dienstag fahren wir nach Berkeley, um MilkDrive zu treffen, die nicht nur famose Musiker sind, sondern auch angenehme Gesprächspartner.
Jetzt fehlt uns nur noch die Hippie-Connection. Wer kennt Sandy Rothman?
Ein Bekannter erzählt uns, dass Bluegrass in Kalifornien ziemlich groß sei. Vielleicht sind MilkDrive nicht Bluegrass genug? Zumindest war das Konzert weit entfernt von ausverkauft. Mehr Touristendinge dann am Mittwoch: Haight Ashbury, der Golden Gate Park. So sehr mich manches auch immer wieder nervt (Elend und Armut einerseits, fleißige Geschäftigkeit andererseits), bin ich in der nächsten Sekunde versöhnt, wenn durch die Wolken die Spitzen der Brückenpfeiler stechen oder ein besonders grüer Hügel sich schläfrig vor mir räkelt.
Das kleine Frühstück, dass ich mir an der Eddy St kaufe, landet bald in fremden Händen. Ich missgönne es ihnen nicht. Die Art, wie es dort hingelangte, ist allerdings unangenehm. Schon im Café war die Frau vor mir auf die Knie gefallen. Als ich den Laden verlasse, verfolgt sie mich, hängt sich an meinen Ärmel, fleht mich an. Nach und nach wandern meine letzten Münzen, mein Croissant und zuletzt auch mein Kaffee in die Hände der geschundenen Seele… Tenderloin…
Ein Mann mit Warnweste sagt, wir sollten lieber eine Parallelstraße nehmen. Zu gefährlich. Mitten am Tag. Die letzte Grenze der Gentrifizierung.
San Diego… Meine alte Freundin Helene schreibt, ich solle mich da bloß schnell wieder verziehen. San Diego sei gut für Rentner und deren Eltern. Viel gesehen haben wir nicht. Den Hafen, den Sonnenuntergang. Klein Italien und den Gaslamp District, bevor es dort so zugeht wie auf dem Broadway in Nashville (ohne Country) oder auf der Reeperbahn (ohne Rotlicht).
Am nächsten Morgen dann auf die Autobahn nach Encinitas, um Greg Davis im Bull Taco zu treffen, einem „Inauthentic Mexican“, der von einem ehemaligen Schlagzeuger seiner Band betrieben wird. Der wiederum ist so nett, uns mit einer tollen Taco-Auslese zu beglücken: Wildschwein und Ente finden sich unter anderem auf den Tellern. Greg hat uns stapelweise Presseausschnitte mitgebracht und das Gesamtwerk seiner Band gebrannt.
Nach dem Essen fahren wir nach Oceanside ins Thunderbird Studio seines Kumpels Thomas, der auf analogem Equipment unter anderem Blood On The Saddle aufgenommen hat – und natürlich seine eigene Band, die Paladins. Sehr interessanter Typ. Das Interview mit Greg Davis ist ziemlich deep. Immer wieder greift er zur Gitarre, um zu demonstrieren, was er gerade erklärt hat, und tischt teils unglaubliche Geschichten auf.
Am frühen Abend suchen wir uns ein Motel. Die nächsten Tage sitzen wir viel im Auto und lassen dieses romantisch aufgeladene Kalifornien an uns vorüberziehen. Los Angeles, Hollywood, die Tehachapi Mountains, Lake Pyramid, die Fahrt hinunter ins große Tal, Richtung Bakersfield bis nach Paso Robles. Und immer diese ganzen alten Lieder im Kopf…
Von Paso Robles aus fahren wir dann – endlich – an die Küste, den Highway 1 nach Norden, schauen Seeelefanten an und sehen in der Ferne einen Wal, der uns mit der Hinterflosse winkt. Ungelogen. In Big Sur machen wir Pause, schauen uns das Henry Miller Memorial an, wo ich feststellen muss, dass es auch in Big Sur Bluegrass-Bands gibt.
Der Tag endet auf einer ernüchternden Note. In Salinas (Kris Kristoffersons „Me & Bobby McGhee“ im Sinn) finden wir das uns empfohlene Thai-Restaurant nicht und landen in einem sogenannten Family Restaurant, in dem uns more or less der Appetit vergeht. Bei der Motelsuche gab es noch einen David-Lynch-Moment. Das Inn schien vorwiegend von Transvestiten, Bodybuildern und Junkies bewohnt zu sein, was wir bei einem kleinen Inspektionsgang sahen, der uns dann doch weiterfahren ließ.
Morgen Monterey. Steinbeck Country.
So langsam endet unser Aufenthalt in Nashville, gestern gab es noch ein Konzert. Und zwei Plattenläden:
Jack Whites Third Man Records und den angeblichen heiligen Gral: Grimeys. Beides ein wenig enttäuschend. Third Man Records, nicht nur Plattenladen, sondern auch Studio und Performance Space, ist durchgestylt bis ins Vorletzte: Die jungen Frauen, die im Laden arbeiten, tragen identische Outfits (bis auf die Schuhe), verkauft werden nur hauseigene Produktionen, zum Teil zu Preisen, die höher sind als in anderen Plattenläden. Und eigentlich sind die Platten beinahe Nebensache. Picks, Taschen, Plattenkoffer, Aufkleber und was nicht noch, alles trägt das Third-Man-Label und den Charakter von Lifestyle-Accessoires.
Das Album der Haden-Drillinge kann ich dennoch nicht stehen lassen – und hoffe auf Grimeys, laut Third-Man-Angestellter zu Fuß in zehn Minuten – und safe obendrein – zu erreichen. Sicher ist es wohl. Allerdings brauchen wir mindestens doppelt so lang. Kein Vergnügen in der sengenden Hitze. Angekommen stolpere ich erstmal in die Abteilung mit den neuen Platten und arbeite mich lustlos durch das Sortiment, dass alles enthält, was hip ist, zu den mittlerweile üblichen Höchstpreisen. Ganz ohne etwas zu kaufen wieder herauszukommen, geht trotzdem nicht. Eine Tür weiter dann die Gebrauchtabteilung mit Buchladen und Café. Auch wenn es da Country in größeren Mengen gibt, bleibe ich abstinent. Was nicht für das Sortiment spricht.
Und dann bekommen wir wieder die Schönheiten des hiesigen ÖPNV zu spüren. Die Busse fahren offenbar in der Regel im Stundentakt, und unserer scheint immer gerade abgefahren zu sein. Bestimmt 45 Minuten sitzen wir an der Bushaltestelle, weil es keinen Fahrplan gibt. Der Bus selbst dann: eine köstliche Erfrischung. Klimatisiert wie alles, was ein Dach hat… Und – kaum verwunderlich – eine Arme-Leute-Angelegenheit.
Am Abend gehen wir ins 3rd & Lindsley, wo montags regelmäßig die Time Jumpers auftreten, eine hochkarätige Western-Swing-Band. Bei Fanny’s hatten sie uns erzählt, dass Vince Gill auch dabei sei, wenn er Zeit habe. Und wir haben Glück. Der zwanzigfache Grammy-Gewinner sitzt auf dem Podium, spielt eine fantastische Jazz-Gitarre und singt unter anderem einen Song von Merle Haggard, während neben ihm der unfassbare Steel-Gitarrist Paul Franklin sitzt, mit dem Gill letztes Jahr das Album „Bakersfield“ aufgenommen hat.
Und mitten im ersten Set erzählt Gill eine Anekdote über „Whispering“ Bill Anderson, um dann nämlichen auf die Bühne zu bitten, damit der mit der Band „My Window Faces the South“ von Bob Wills singt. Ich schmelze dahin…
Und schon ist es Zeit weiterzuziehen. Morgen fliegen wir nach Kalifornien, wo wir unter anderem Greg Davis von Blood On The Saddle treffen.
Am Freitag machen wir uns auf den Weg nach Rosine, Kentucky, ohne wirklich eine Vorstellung zu haben, was uns da erwartet. Vor allem gibt es aber erstmal eine Fahrt durch rollende Hügel und Wälder, dazwischen Weiden und weiße Holzhäuser, ab und an eine (weiße) Holzkirche. Pittoresk, to say the least. Und wenn man die Interstate erst verlassen hat, stehen vor kariösen Scheunen dahinrostende Autos, an denen zottige Hunde das Bein heben. Ein Traum. Und dazu Jimmy Martin hören…
Imaginierte „Easy Rider“-Szenen (Filmende) kontrastieren reizvoll mit dem Idyll. Nach zahllosen Hügeln dann: Rosine, so etwas wie die Wiege des Bluegrass, hier liegt Bill Monroe begraben, hier steht die Hütte von „Uncle Pen“, und zwei Meilen weiter, in Jerusalem Ridge, das Geburtshaus. Seit 22 Jahren treffen sich hier an jedem Freitag Picker aus der Region und gelegentlich auch von weiter weg, um zu spielen. Old Time Music, Bluegrass und ein bisschen Country.
Am Samstagmorgen um sieben Uhr machen wir uns im strömenden Regen auf den Weg nach Bristol, Tennessee, wo das „Birthplace Of Country Music Museum“ eröffnet wird. Für 15 Uhr ist ein Auftritt von Ralph Stanley angekündigt – einer der letzten Überlebenden der ersten Bluegrass-Generation. Eigentlich hätten wir es gerade so schaffen müssen. Aber es muss an der Zeitverschiebung gelegen haben, dass wir nur noch den letzten Song seines Auftritts sehen können, den „Orange Blossom Special“ – der Zug war abgefahren…
Schauen wir uns eben die Stadt an und kommen später wieder zur Bühne, wo Corbin Hayslett spielt – mit Special Guest Roni Stoneman.
Das Museum erzählt von den Bristol Sessions, die ganze Geschichte, mit zeitgemäßem Museumsprogramm, interaktiv und derlei mehr, Filme von damals, Musik – könnte ich Stunden darin verbringen…
Später treten noch Carlene Carter und Jim Lauderdale auf, danach brauch ich erstmal ein paar Bier – Freitagabend in Rosine war nichts zu machen, Dry County. Was zu der leicht surrealen Atmosphäre beiträgt.
1.8.
Am Donnerstagabend dann also endlich die Mother Church of Country Music: das Ryman Auditorium. Eine zwiespältige Erahrung. Ich fühle mich an Joan Baez erinnert, die einmal, nachdem sie in einem Studio in Nashville aufgenommen hatte, davon sprach, wie es war, in einem Raum mit Menschen zu sein, die sie ansonsten umstandslos aufegknüpft hätten. Zumindest hab ich die Geschichte so in Erinnerung. Beim Konzert von Ricky Skaggs jedenfalls, der viel von Gott spricht und davon, dass Liebe zwischen Männern im Bluegrass keinen Platz habe, schaue ich mich um und denke, dass ich mit dem größeren Teil des Publikums möglichst wenig zu tun haben möchte. Auch wenn sich durchaus auch ein paar Hipster eingefunden haben. Die Musik ist zumindest teilweise tatsächlich grandios.
Den Tag haben wir damit verbracht, in East Nashville, Hipsterhausen, eine Lap Steel zu kaufen, ein Interview mit zwei entzückenden Ladies zu machen, die „Fanny’s“ betreiben, einen Musikladen mit Musikschule und einem Raum mit Vintage Clothing. Danach sind wir mit Roni Stoneman verabredet, Tochter von Ernest „Pop“ Stoneman, der wiederum einer der ersten Hillbillies war, die eine Platte aufnahmen, damals in den 20er Jahren. Und er war der, der Ralph Peer damals nach Bristol lockte, wo der unter anderem die Carter Family und Jimmie Rodgers aufnahm…
Knietief in Geschichte.
Im Ernest Tubb Record Store beim Opryland, am Music Valley Drive treffen wir sie, später nimmt sie uns noch mit nach Hause, um uns die Walze mit „The Sinking of the Titanic“ vorspielt. Von 1924. Meine Güte, das ist 90 Jahre her, oder?
Ein paar Stunden vorher, bei Fanny’s, schneit dann auch noch Chris Scruggs herein, mit seinem Jüngsten und seiner Mutter, Gail Davies, in den 70ern und 80ern nicht ganz erfolglose Sängerin und laut Wikipedie die erste Produzentin in der Geschichte der ländlichen Musik. Scruggs, natürlich ein Enkel von Bluegrass-Legende Earl Scruggs, treffen wir dann am Montag. Die Wege in Nashville sind offenbar kurz, hat man sich erstmal am Broadway vorbeigequält.
Aber jetzt erstmal: zur Freitagssession nach Rosine, Kentucky, und am Samstag fahren wir nach Bristol zur Eröffnung des „Birthplace of Country Music“-Museums, unter anderem mit einem Auftritt von Ralph Stanley – ich kann das alles gerade kaum fassen…