Vor zehn Jahren


… da lag in Bremen Ende März noch Schnee, wie ich meinem Text in der taz Bremen vom 23.3.2001 entnehme:

Songs für Proleten und Schnee

Die Weakerthans aus Kanada ließen bei ihrem ersten Auftritt in Bremen auch das Publikum dieser Stadt in Liebe entbrennen

Es ist etwas dran an den Weakerthans, was zwar noch nichts erklärt, aber immerhin sinnfällig war, nachdem sie der finnischen Band Lemonator auf die Bühne des Towergefolgt waren. Letztere hatten wahrscheinlich eines Tages beim Bier festgestellt, dass sie das Album „Creator“ von den Lemonheads für das Größte seit Erfindung der Stromgitarre hielten und eine Band gegründet. Sie spielten entsprechend bebrillten so genannten „College-Pop“, rund, ohne unveränderliche Kennzeichen, wie einer einprägsamen Stimme oder potenziellen Hymnen für Generationen, wofür sie immerhin am Mittwoch einen freundlichen Applaus einfuhren.

Dann kamen die Weakerthans, die ihr erstes Bremen-Gastspiel vor ein paar Jahren kurzfristig absagten, um mit Tocotronic auf Reisen zu gehen. Auch sie klingen eigentlich ganz bekannt, schreiben sie doch geradezu klassische Songs, die sie wahlweise in poppigen Punkrock oder Folk/Country einkleiden. Die Weakerthans um Songwriter John K. Samson agieren mit ähnlichen musikalischen Gerätschaften wie etwa die erwähnten Lemonheads. Doch ihre Texte haben eindeutig mehr Substanz.

Sie eröffneten mit „Everything Must Go!“, in dem es um das Verhökern wertloser oder als Last empfundener Dinge geht. Ein kotzgrünes Sofa, aus 24-Stunden-Kneipen entwendete Kaffeetassen und eine 40-Stunden-Woche, die einen in die Knie zwingt. Günstig abzugeben gegen einen Platz für Außenseiter oder ein Ferngespräch mit der Frage, wie es heute geht, oder ein Zeichen dafür, dass bessere Zeiten für Gebrochene kommen, „or best offer“ …

In diesem nachgeschobenen Halbsatz liegt gewissermaßen die Differenz. Illusionslos, aber immer noch den Schmerz über den Verlust des Ideals im Kopf. Die beschriebene Alltäglichkeit kommt bekannt vor, weil sie die eigene ist, zumindest für die Jugend der westlichen Welt, weil der Regen und der Schnee, die zerbrochenen Scherben, die Fremden, deren Gesichter du kennst, nicht nur in Winnipeg vorkommen, sondern eben auch in Bremen. Vor allem der Schnee …

Dabei ist die Musik immer wieder etwas, woran sich die Weakerthans festhalten – sonst ist da ja auch nicht viel -, auch wenn sie sich, wie am Ende des regulären Sets, kurz in Rage spielen. Das Korsett des archaischen Song-Konzepts wird auch dann nicht gesprengt, vielmehr mit Leidenschaft neu belebt. Eine Leidenschaft, die John K. Samson anzusehen zu sein scheint, wenn er mit geschlossenen Augen von den bekannten Fluchtpunkten singt, in diesem Fall ein Motel, im Ohr der Rhythmus eines Herzschlags, nachdem Er und (wahrscheinlich, aber nicht notwendig) Sie kleine Botschaften für die Arbeiter an einer Baustelle hinterlassen haben. „Wir hoffen, sie behandeln euch gut. Wir hoffen, ihr arbeitet nicht zu hart. Wir hoffen, dass ihr manchmal glücklich seid.“

Eine Leidenschaft, die die Weakerthans auch dazu veranlasst, ihre Songs mit Liebe zum Detail vollendet auszubalancieren. Nicht einmal das Rohr fehlte auf der Bühne, das man durch die Luft wirbelt, um einen singenden Ton zu erzeugen, welches ein zittriges Solo in dem Song „Elegy For Elsabet“ spielt, in dem es außerdem heißt, dass der Winter in jedem Frühling auf die gleiche Weise stirbt. Das sind so diese bittersüß anrührenden Zeilen, mit denen Samson und seine Band nicht nur Tocotronic in Liebe entbrennen ließen. Möglich, dass es das war, was die ZuhörerInnen im Tower so begeisterte, dass sie die Weakerthans nach der eingeplanten Zugabe noch einmal für ein paar Songs auf die Bühne applaudieren konnten.

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Vor zehn Jahren


MUMBLE & PEG

All My Waking Moments In A Jar

VACCINATION/NOIS-O-LUTION/WARNER

Wer die ersten beiden Alben von Mumble & Peg kennt, wird einigermaßen verblüfft zur Kenntnis nehmen, wie ihm im Opener „Resigned“ nicht nur laute, elektrisch verstärkte Gitarren um die Ohren gehauen werden, sondern auch noch ein herzliches: „Fuck all of you!“

In der Tat, es hat sich einiges verändert bei dem Trio um Singer/Songwriter Eric Carter. Natürlich gibt es nach wie vor die introspektiven Songs über Freundschaften, die in die Brüche gegangen sind, oder darüber wie es ist, in einem Schneesturm zu stehen mit siebzehn Streichhölzern und einer Zigarette, während man darauf wartet, dass jetzt langsam die Drangsale des sogenannten Erwachsenenlebens über einen herein brechen. Geblieben ist die unterschwellige Irritation als Konstante, lyrisch wie musikalisch.

Verändert hat sich vor allem, dass Mumble & Peg mittlerweile offenbar als richtige Band funktionieren, weshalb jetzt auch Matt „The Big“ Lebofsky zwei Songs singen darf, nachdem er bereits seit dem Debüt „Wandering In Volumes“ von der Partie ist. Seine Songs klingen „britischer“, weniger nach amerikanischem Folk, der ansonsten immer noch die Grundlage ist, auf der Mumble & Peg musizieren, wenn auch auf diesem wunderschönen Album auch mal mit getretenem Distortion-Pedal.

BLACKMAIL

Bliss, Please

TIS/WSM

Blackmail, die vor zwei Jahren mit dem Album „Science Fiction“ der hiesigen Rock-Diaspora neue Hoffnung gaben, ist es tatsächlich gelungen, ihre Formel noch einmal zu verbessern. So dermaßen süffig, so elegant rockend, so unverschämt poppig klangen sie noch nie.

Aydo Abays melancholische Stimme legt sich geschmeidig über die schweren Riffs, flankiert von schwebenden Keyboard-Teppichen, die „Bliss, Please“ einen orchestralen Charakter verleihen. Ohne jemals profan zu werden, fläzen sich Blackmail nun ganz unbescheiden in den Mainstream des „Alternative Rock“, was ganz sicher auch das Verdienst der Produzenten Kurt Ebelhäuser, Blackmail-Gitarrist, und Guido Lucas ist, die ein ausgeprägtes Gespür für die Balance zwischen Sound und Struktur, für Theatralik und deren Erdung haben.

Und in Sachen Songwriting haben Blackmail mittlerweile eine geradezu klassische Qualität erreicht, die zwar ihre Schulung an den Beatles noch erahnen lässt, aber mehr dann eben auch nicht.

LOW

Things We Lost In The Fire

TUGBOAT RECORDS/EFA

Wahrscheinlich ist es nur ein Zufall, aber dass Low im wesentlichen aus einem verheirateten Paar bestehen, erinnert ebenso an die Cowboy Junkies, bei denen gleichfalls Eheleute federführend tätig sind, wie die Musik auf „Things We Lost In A Fire“, in all ihrer dunklen Schönheit, in ihrer Intimität, die die zerbrechlich erscheinenden Zeitlupensongs umgibt. In den meisten Ehen dürfte es doch ganz anders klingen.

Mimi Parker und Alan Sparhead haben mit ihrem Bassisten Zak Sally mittlerweile ihre eher experimentelle Phase hinter sich gelassen und benutzen ihren schleppenden SloMo-Sound jetzt als Grundlage für vollendetes Songwriting. Eine gewisse Schwere im Sinne von Heavyness ist geblieben, ein wenig so, wie sie einmal Codeine verbreiteten. „Things We Lost In The Fire“ ist aber gleichzeitig Pop, schwelgt in eklektizistischen Arrangements, wofür das Band-Instrumentarium mit Hilfe einer Reihe von Gästen um kammermusikalische Nuancen und gesamplete Sounds erweitert wurde. Vor dieser in ihrer aufwendigen Reduziertheit makellosen Kulisse erheben sich in matt strahlender Vollendung die Stimmen von Parker und Sparhead.

THE PERC

Jack Of All Trades

SIREENA RECORDS/FENN MUSIC

Ein „Jack Of All Trades“ ist die anglophone Entsprechung zum hiesigen Hansdampf in allen Gassen. Bei The Perc alias Tom Redecker handelt es sich ohne Zweifel um einen umtriebigen Menschen, weshalb der Titel seines zweiten Solo-Albums, des ersten seit über fünf Jahren passender kaum gewählt sein könnte. Bei aller Umtriebigkeit hat er sich allerdings musikalisch stets die Treue gehalten. Sein Herz schlägt für geradezu klassische Songs, die zwar in unterschiedlichen Gewändern zwischen Folk und Rock daher kommen, aber nicht nur durch seine prägnante, tiefe Stimme stets als die seinen erkennbar bleiben.

Damit ist er einer der wenigen Überlebenden, die auch heute noch mit ihrer Gitarre in der Hand durch die Lande ziehen und sich auf alles einen Reim machen. Dass der mittlerweile auch mal in deutscher Sprache stattfinden darf, ist wohl eher neu bei The Perc. Im „Riddle Song“ berichtet er Intimes aus seiner Vergangenheit: „Als ich noch ein kleiner Junge war zuhaus, da machte meine Mutter das Licht stets pünktlich aus.“

Erzähl uns noch eine Geschichte, Tom…

MOTORPSYCHO: Barracuda (Stickman/Indigo) Der Spaß am Schweine-Rock führte Motorpsycho in einen stilistischen Zwiespalt, den sie überwanden, in dem sie vor einem Jahr mit „Let Them Eat Cake“ ein opulent-poppiges Meisterwerk veröffentlichten und nun die zur gleichen Zeit aufgenommenen Rock-Brocken als Zwischenmahlzeit nachliefern. Natürlich spielen Motorpsycho auch hier souverän mit den Werkzeugen der Zunft.

NASH KATO: Debutante (B Track Europe) Die Stimme von Urge Overkill, vor allem durch ihre Interpretation des Neil Diamond-Songs „Girl, You’ll Be Woman Soon“ bekannt, gibt nach langer Pause wieder etwas von sich. Befreit von dem Druck, Erwartungen gerecht zu werden, wie sie einst an Urge Overkill gestellt wurden, ist „Debutante“ ein ausgesprochen erwachsenes Werk, geprägt von Katos Vorliebe für Cheap Trick.

 

aus dem BREMER 03/2001

Vor fünf Jahren


schrieb ich in der taz Bremen (25.2.2006) über einen Mann, dessen Werk ich hernach sehr zu schätzen lernte:

Kurzkritik: Brad Mehldau Trio in der Glocke

Aristo-Jazz

Bevor er spielt, tupft Brad Mehldau sich erstmal die Hände ab. Auch später wischt er sich nicht etwa zwischendurch Schweißtropfen von der Stirn. Im Olymp wird nicht geschwitzt. Kerzengerade auf seiner Bank thronend setzt er nach einem Intro von Kontrabassist Larry Grenadier die Finger auf die Tasten. Grenadiers Eingangssolo bleibt eigentlich auch das einzige. Er ist der stille Begleiter, der die Band zusammenhält, während Mehldau und Ballard ihre Kunst ausüben. Mehldau geradezu aristokratisch: Elegant perlt sein Spiel, verrät die Beschäftigung nicht nur mit der Geschichte des Jazz, sondern auch dem Impressionismus, das Programm legt zudem einen Fokus auf Mehldaus Pop-Neigung mit Songs von Nick Drake, Lennon/McCartney und Paul Simon.

Schlagzeuger Jeff Ballard ist der Laute im Trio. Er nimmt sich die Freiheit, auch eher neuere Techniken zu verwenden, schabt mit den Sticks auf den Becken, schlägt die Kessel seiner Trommeln, macht den Eindruck, er sei der einzige in der Band, der auch mal ein Bier trinkt wie unsereins. Mit viel Einfallsreichtum und Temperament treibt er an, feinziseliert und filigran, aber auch treibend – und er ist der einzige im Bunde, der es mittendrin krachen lässt. Viermal müssen sie wiederkommen, aber auch darüber gerät Mehldau keineswegs in Ekstase, bleibt höflich und verbindlich. Natürlich macht er seine wenigen Ansagen in beachtlichem Deutsch. Der weiß, was sich gehört.

Vor zehn Jahren


STEVE MALKMUS

Swedish Reggae

DOMINO/VIRGIN

Erst hieß es, Pavement seien für unbestimmte Zeit lediglich auf Eis gelegt. Steve Malkmus lässt nun angelegentlich seines ersten Solo-Albums verlauten, dass „definitiv“ Schluss mit Pavement sei. Und zur neuen Platte meint er: „Ich hasse es, das zu sagen, aber es ist das gleiche wie Pavement, nur mit einer anderen Rhythmus-Sektion.“ So ganz stimmt das zwar nicht, aber es ist natürlich die gleiche, leicht schläfrig klingende, nicht selten am Ton vorbei singende Stimme, die wir schon bei Pavement geliebt haben, und es ist immer noch der gleiche smarte Humor, von dem schon der Titel zeugt, der auch durch die Zeilen der Songs blinzelt, wie in „The Hook“, wo Malkmus jemandes erzählt, der mit 18 im Mittelmeer von türkischen Piraten gekidnappt wird, die ihn nach ein wenig Folter doch lieber als Maskottchen behalten. Und natürlich gönnt Malkmus sich und uns auch diverse musikalische Schrullen, täuscht ein paar Takte lang öden Schweine-Rock vor, bevor er das wehmütige „Church On White“ beginnt, lässt kurz eine Metal-Gitarre aufbratzen oder klimpert zwischendurch auf komischen Analog-Synthesizern herum. Und wie jede Pavement-Platte hat auch „Swedish Reggae“ natürlich eine gute Handvoll vordergründig unspektakulär daherkommender Riesenhits, „Jenny & The Ess-Dog“ oder „Trojan Curfew“ zum Beispiel. Songs, wie sie niemand so entspannt gespielt hat, wie Pavement oder eben nun deren ehemaliges Aushängeschild. Solange es Malkmus gibt, müssen wir uns da anscheinend keine großen Sorgen machen.

MÖRSER

10.000 Bad Guys Dead

Chrome St. Magnus

Mit „Two Hours To Doom“, ihrem ersten Album, haben Mörser vor zwei Jahren wie schon lange keine Band mehr Grindcore, Deathmetal und angrenzende Genres hergenommen und durch erbarmungslose Überspitzung und Beschleunigung wieder genießbar gemacht. Da man dieselbe Wirkung durch bloße Wiederholung nicht unbedingt auch ein zweites Mal erzielen kann, haben Mörser die Rezeptur für ihr neues Album umgestellt. Dabei landen sie bei einer nach wie vor brachial zermalmenden Version des derben Stoffs, die aufgrund ihrer Lust am Pathos an „Symphonies Of Sickness“, das zweite Album von Carcass erinnert: nach wie vor rasend schneller und ganz tief in den Eingeweiden herum manschender, aber in größere Formen gegossener Lärm. Keine Miniaturen von wenigen Sekunden Länge, sondern Stücke, die im Schnitt um die drei Minuten dauern. Auch mit „10.000 Bad Guys Dead“ gehören Mörser nach wie vor zum Feinsten, was es auf diesem Sektor in letzter Zeit zu hören gab. Im Programm des neuen Labels Chrome St. Magnus, auf dem auch Systral, Breach und Dillinger Escape Plan veröffentlichen, nehmen sie sich dabei denn auch hervorragend aus.

GEOFF FARINA

Reverse Eclipse

SOUTHERN/EFA

Manche kennen Geoff Farina vielleicht von seiner Band Karate, die erst vor kurzem ihr viertes Album veröffentlichte und in der Farina singt und Gitarre spielt. Wer deren Musik kennt, wird wohl sofort die Stimme erkennen, vielleicht auch das Gitarrenspiel, das schon auf den letzten beiden Karate-Alben zunehmend einen jazzigen Ton bekam. Dabei klingt Geoff Farina ohne Karate dann eben doch nicht genau wie Geoff Farina ohne Karate. Es klingt, als nutze er die Freiheiten des unbegleiteten Spielens, um seinen spontanen Einfällen nachzugehen, nicht nur bei seinen Soli, bei denen er Tempi verschleppt, kurz innehält, um eine perlende Linie folgen zu lassen. Auch seine Texte scheint Farina bisweilen noch während der Aufnahmen zu ergänzen, als ob sie ihm nicht präzise genug seien. Dabei klingt hier zwar einiges skizzenhaft. Als Album wirkt „Reverse Eclipse“ dann allerdings doch sehr geschlossen, als hätte Geoff Farina sich an einem regnerischen Wochenende in seinem Wohnzimmer verkrochen und mal eben in einem Zug dreizehn Songs aufgenommen, die ihm schon lange im Kopf herumschwirrten. Eine sehr schöne, sehr angenehme Platte.

WALTER, O’ROURKE & LONBERG-HOLM: A Tribute To Masayuki Takayanagi (GROB/Hausmusik) Masayuki Takayanagi legte seine Gitarre als einer der ersten übers Knie, um totalen Noise darauf zu spielen. Weasel Walter (Flying Luttenbachers) rief Jim O’Rourke und Fred Lonberg-Holm zu sich und spielte mit ihnen zu Ehren von Takayanagi, so krachig, wie wir Jim O’Rourke wohl noch nie gehört haben.

BS 2000: Simply Mortified (Grand Royal/Labels/Virgin) Ad Rock (Beastie Boys) und sein Kumpel Amey Smith haben sich zu einem reichlich schrägen Projekt zusammengefunden: Eine schepprige Farfisa trifft auf Cheapo-Beats aus dem Casio und merkwürdig behandelte Stimmen, während die Styles vergangener Jahrzehnte geplündert werden: Bossanova, Foxtrot oder Bossanova, BS 2000 schrecken vor nichts zurück. Äußerst amüsant.

(alles aus BREMER 02/2001)

Was machen eigentlich…


Les Savy Fav? Vor zehn Jahren erfreuten sie sich bester Gesundheit und uns mit feinstem Arthouse-Punk. Vor zehn Jahren kündigte ich eines ihrer Konzerte in der taz bremen an:

Die Vorschau

Duschhauben-Musik

Die Kunstrock-Jungsband „Les Savy Fav“ spielt am Sonntag im Alhambra

Vor fünf Jahren gründeten sich Les Savy Fav an der Rhode Island School of Design. Vor diesem Hintergund ist auch ihre Selbstverortung als „Art Rock Boy Band“ zu verstehen. Trotz ihres ausgeprägten Sinns für schöne Plattencover – das Debüt war in geblümte Duschhauben verpackt – entbehrt ihre Musik aufdringlicher Feinsinnigkeit. Sie kratzt vielmehr ordentlich, verbrät spröden New Wave, Noise der Sonic Youth-Linie und einen Drive, den sie vom Hardcore haben müssen.

Und dann ist da noch die Fähigkeit, auch Komplizierteres einfach klingen zu lassen, sowie diese äußerst angenehme Melodik, die fast so bittersüß wie bei den seligen Pavement klingt. Damit, so höre ich einige bereits wieder nörgeln, könne man ja heute niemanden hinter irgendwelchen altmodischen Heizgerätschaften hervorlocken; den Weg, der natürlich dadurch nicht kürzer wird, dass er immerhin bis nach Oldenburg führt, sollten Liebhaber des „state of the art“-Rock dennoch nicht scheuen. Schließlich sagt man gerade den Bühnen-Shows von Les Savy Fav Wunderdinge nach.

Nicht nur, um die Vorfreude zu steigern, spielen vor Les Savy Fav noch Orbit EV. Die haben soeben auf dem Vareler Label „Spirit Of ’76“ eine neue Platte namens „Super-8“ veröffentlicht, und wenn das nicht der Geist der Siebziger ist, was dann?

Sie werden in Begleitung mehrerer Gastmusiker sowie diverser Projektoren und Oszillatoren ihren Space-Sound, gespeist aus dem Zusammenspiel von Rock und Elektronik weniger spielen als vielmehr zelebrieren: psychedelisch, ausladend und über- bis außerirdisch.

Vor fünf Jahren


… gastierte der wunderbare Felix Gebhard mit seiner Band Home Of The Lame in Bremen. Anlass für eine Kurzkritik in der taz:

Ausgerechnet hier

Wenn junge Männer sich mit ihrer Gitarre auf die Bühne stellen, haben sie etwas mitzuteilen. Wenn man Glück hat, geht es nicht bloß darum, dass sich der Musiker in Selbstmitleid suhlt. Bei Flo Fernandez, der den Freitagabend im Römer eröffnete, hielt sich das Glück in Grenzen. Was in den Texten durchschimmerte, ließ sich unter „kreative Kontaktanzeigen“ verbuchen.

Bei Home Of The Lame sah das schon anders aus. Die Band existiert in der aktuellen Besetzung noch nicht lange. Gleichwohl klang ihr Set gut abgehangen. Auch Felix Gebhardts Songs hängen romantischen Idealen nach, durchwachten Nächten, fernen Freundschaften. Aber sie rühren durch ihre Direktheit ebenso an wie durch ausgewogene Kompositionen. Dass er dabei sehr amerikanisch klingt, sich an Country und Folk Rock orientiert und auf Englisch textet, wirkt dabei nie aufgesetzt.

In langen Jahren hat sich Gebhardt das Genre vom Punk kommend erarbeitet. Evan Dando (Lemonheads) ist im Hintergrund ebenso zu hören, wie Country-Rock-Ikone Gram Parsons. Überwiegend spielten Home Of The Lame die Songs des empfehlenswerten aktuellen Albums „Here, Of All Places“. Mit „The Kids Are Alright“ von The Who entließ die Band ihr Publikum in die Independent-Disco, die beim letzten Ton übergangslos einsetzte – nicht schön, aber das ist eine andere Geschichte.