Vor zehn Jahren im BREMER besprochen


…and you will know us by the trail of dead /source tags and codes
interscope /universal
„Madonna“, das zweite Album der Band aus Texas mit dem unhandlichen Namen war ein überwältigender Nachweis, wie die musikalischen Errungenschaften des Post-Hardcore der späten Achtziger – Hüsker Dü, Squirrel Bait und Sonic Youth seien als Stellvertreter genannt – in eine zeitgemäße Form transformiert werden können. Die Erwartungen nach diesem explosiven und euphorisierenden Werk waren hoch. Auf „Source Tags And Codes“ versuchen die Texaner gar nicht erst, das Unmögliche – nämlich eine Steigerung des „Madonna“-Rezepts – zu vollbringen. Dafür untersuchen die verschiedenen Schichten ihrer Musik, die sich immer noch aus den gleichen Quellen speist, aber hier mit einem genaueren Blick für Details und Nuancen komponiert und produziert wurde, ohne die enorme Intensität des Band-Sounds zugunsten von Handwerk und technischer Perfektion zu vernachlässigen. Brüchige, wehmütige Melodien, treibendes Schlagzeug, flirrende Gitarren, durchwirkt mit schimmernden Geräuschfäden. Ein großes Rock-Album. Im April auf Deutschland-Tour. Auf der Bühne spielen sie, als stünde das Ende der Welt unmittelbar bevor. Diese Band ist heiß!

lambchop /is a woman
city slang /labels /virgin
Hatte Lambchop-Sänger Kurt Wagner das Lambchop-Kollektiv aus Nashville, TN auf „Nixon“, dem letzten Werk, noch in Richtung Soul geführt, die bittersüßen Songs höchst effektiv mit kitschigen Chören und Breitwand-Arrangements verkleidet, ist „Is A Woman“ nun so intim aufgenommen, als säße man unter dem Klavier in Wagners Wohnzimmer, hörte, wie sich das Knarzen des Pianoschemels mit dem Knacken der Holzscheite im Kamin vermischt, wie Finger über die Tasten und die Saiten von Gitarre und Bass gleiten. Wagner singt über seinen alten Hund, über die Spinnweben des Sommers, so entspannt, als säße er gerade im Schaukelstuhl. Kein beinahe übermütiges Abkippen ins Falsett, keine entrückten Gospel-Chöre, wie noch auf „Nixon“. Dafür gediegenes Musizieren. Im letzten Song versuchen sich Lambchop gar an einer Art Country-Reggae. Ansonsten regiert ein wunderschöner, anheimelnd balladesker Country-Rock, der manchmal an den jungen Tom Waits erinnert, manchmal an einen weniger bekifften Jerry Jeff Walker.

greg davis /arbor
carpark records /hausmusik
Verblüffend plausibel erscheint die Methode von Greg Davis, Liebhabern elektronischer Musik vielleicht unter dem Namen Asterisk oder als partner in crime von Laptop-Artisten wie Hrvatzki oder Marumari bekannt sein mag: Ruhige synthetische Sounds und Mikro-Beats von der Festplatte mit delikaten Pickings von der akustischen Gitarre zu verbinden, ergänzt nur um wenige leise Gesänge. Zwei Versionen künstlerischer Autarkie, einmal mit der Gitarre, dem klassischen Instrument des fahrenden Spielmanns, zum anderen mit dem neuen Allzweckmittel für Reisende des 21. Jahrhunderts, dem Laptop.
Die beiden vermeintlich konträren Grundlinien zeitgenössischen Pops – Computer und Gitarre – zusammen zu denken, ist inzwischen fast schon ein alter Hut. Aus ihnen einen urbanen Folk der Gegenwart zu generieren, ist nach der Entdeckung der Folk-Ikone John Fahey in Postrock-Kreisen nahe liegend. Auf „Arbor“ vollzieht Davis diesen Ansatz geradezu traumhaft entspannt.

payola /get on the buzz!
exile on mainstream records/efa
Payola haben sich ganz schön gemausert. „Get On the Buzz!“ braucht zwar ein paar Takte, um in Schwung zu kommen, aber schon bald offenbart das zweite volle Album der Band aus Hannover, das erste mit Sänger Nico Kozik, unter dem gut abgehangenen Blues-Rock weitere Schichten und Polituren. Vordergründig changiert die Band noch zwischen den Überresten ihrer Stoner-Rock-Wurzeln und rüdem Garagen-Rock. Zunehmend haben sich Payola allerdings von etwas abgelegeneren Rock-Traditionen inspirieren lassen: psychedelischer Rock, Captain Beefheart und archaisch pockernde Synthetikbeats haben ihre Spuren hinterlassen.
Von talentierten Epigonen sind Payola so zu einer eigenwilligen Formation geworden, die ihre Wurzeln souverän zu einem coolen, urbanen Rocksound verarbeitet.

jim o’rourke /i’m happy, and i’m singing, and a 1, 2, 3, 4

(mego /a-musik /hausmusik)

O’Rourke, der als Protagonist des Postrock gilt und mit „Insignificance“ kürzlich ein verdächtig gitarrenorientiertes Album veröffentlichte, hegt seit je eine Liebe zur elektronischen Musik. „I’m Happy…“ lenkt den Blick auf diesen etwas weniger beachteten Strang seines Werkes. Und O’Rourke wäre nicht der, den wir kennen, wäre nicht auch dieses Album von abgeklärter Schönheit und unaufdringlicher Eleganz.

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