Arbeit mit sinnvollen Mitteln
Ihren Ausnahme-Status verdanken diese vier Herren aus Washington D.C. nicht nur ihrem musikalischen Oeuvre oder ihrer Vergangenheit bei Minor Threat oder Rites Of Spring. Fugazi sind auch eine der ganz wenigen Bands, die den alten Idealen der Hardcore-Szene immer noch treu sind, indem sie beispielsweise ihre Platten bei Dischord veröffentlichen, dem Label, dass Fugazi-Gitarrist und -sänger Ian MacKaye schon zu Zeiten von Minor Threat gründete. Und auch ihre übrigen Aktivitäten versuchen sie soweit irgend möglich, selbst zu kontrollieren. Ein Ziel dieser Bandpolitik ist es, den Zugang zu Platten und Konzerten erschwinglich zu halten. Nun sind Fugazi nach einer längeren Pause wieder auf Europareise. Vor ihrem Konzert im Schlachthof sprachen wir mit Ian MacKaye.
BREMER: In den letzten Jahren war zumindest auf der Bühne nicht soviel von Fugazi zu sehen. Dafür hat sich die Band musikalisch ein ganzes Stück weiterentwickelt. Was waren die Gründe für diese Pause?
Ian MacKaye: Dass wir 1997 nicht auf Tour waren, hatte im wesentlichen zwei Gründe: Mein Krankenhausaufenthalt mit einer kollabierten Lunge 1996 in Australien, und die Geburt von Brendans Sohn Asa im Oktober 1997. Wir mussten mehr Zeit zuhause verbringen. Aber wir haben uns ganz sicher nicht freigenommen. Wir probten weiter und schrieben Songs. Wir nahmen ‚End Hits‘ auf und beendeten die Arbeiten am Film ‚Instrument‘ und dem dazugehörigen Soundtrack. Das war eine Menge Arbeit. Jetzt versuchen wir, so viel zu spielen, wie es unser Leben erlaubt, und zuhause schreiben wir weiter Musik und planen. Musikalisch geben wir uns dabei keine Richtung vor. Wir versuchen nur, Musik zu spielen, die wir interessant und bewegend finden. Der ‚Instrument‘-Soundtrack ist dabei weniger ein Ausblick in die Zukunft als einer in die Vergangenheit. Die meisten Stücke haben wir schon vor Jahren aufgenommen, und seitdem lagen sie bei uns herum.
BREMER: ‚Instrument‘ und ‚End Hits‘ schienen Spuren der neueren, sogenannten Postrock-Bands aus Chicago und Louisville zu tragen.
Ian MacKaye: Ich kenne mich damit nicht sonderlich gut aus und würde nicht wirklich sagen, dass wir von diesen Bands inspiriert sind, ausgenommen Shellac, die ich für eine der wenigen grossen Live-Bands von heute halte. Ich interessiere mich in letzter Zeit mehr und mehr für lyrische Musik, und ich denke, dass viele der Bands auf die du anspielst, entweder instrumental oder fast-instrumental sind. Ich will diese Bands nicht abwerten, sie geben mir einfach nicht so viel.
BREMER: Euer Status in der Szene ist ziemlich singulär. In wieweit betreffen die neuen Entwicklungen auf dem Musikmarkt die Aktivitäten von Fugazi und Dischord?
Ian MacKaye: Wir arbeiten weiterhin mit den Mitteln, die uns sinnvoll erscheinen. Dass Internet-Anwendungen für Musik irgendwann ins Spiel kommen, ist möglich und sogar wahrscheinlich. Nichtsdestotrotz werden wir uns weiterhin in erster Linie LPs und CDs konzentrieren, weil das immer noch das ist, was die meisten Leute wollen. Ich persönlich war nie daran interessiert, meine Arbeit populären Trends oder Marktvorhersagen anzupassen, deshalb werde ich warten und schauen, was passiert. Es stimmt zwar, dass wir zur Zeit weniger Platten verkaufen und an manchen Orten weniger Leute kommen, uns zu sehen, aber es erscheint ganz natürlich, dass so etwas passiert. Vergiss nicht, dass es eine Zeit gab, als die Band nicht einmal existierte und deshalb gar keine Platten verkaufte und gar keine Shows spielte. Alles ist vorübergehend.
BREMER: Interessieren sich eigentlich auch ganz junge Hardcore-Fans für das ‚Modell‘ Fugazi?
Ian MacKaye: Wir haben eine ziemliche Bandbreite von Altersgruppen bei unseren Shows, obwohl nur wenige Leute kommen, die älter sind als ich (37). Ansonsten weiss ich nicht, wen wir ansprechen, oder wie wir so etwas messen oder definieren könnten.
BREMER: Wir bedanken uns für das Interview.