Gbt’s die noch?


Die Lage scheint nicht eindeutig. Gesehen haben wir sie damals gern, Schweinhund aus Norwegen.

taz Bremen 28.1.1998

Die Vorschau

Hardrocks böser Zwilling

 Schweinehund & Messerknecht pflügen die Buchtstraße um

Schweinhund aus dem norwegischen Oslo haben einen erlesen schlechten Geschmack. Die Phase, in der Rock zum ersten Mal wirklich fast gestorben wäre, die mittleren siebziger Jahre, als haushohes Orgelgetöse mit dem Ausdruck schweren Bildungsdünkels auf den kleinen Rock’n’Roll von der Straße niederfuhr, ihn fast erdrückte und zur Flucht nach vorn (in den Punkrock) zwang – diese Phase nehmen Schweinhund als Bezugspunkt für ihr eigenes Wirken und Weben. Ein Blitz, ein schwerer Akkord von der monströsen Rainbow-Orgel, brommmm, ein infernalisch-fanfarischer Bratakkord von der Gitarre, und ab geht es in die Niederungen des 70er-Jahre-Hardrock. Uriah Heep und Rainbow stehen betreten lächelnd im Hintergrund und wissen nicht, sollen sie sich über den kleinen Bastard freuen, der da so offensichtlich inspiriert ist von ihren alten Heldentaten. Irgendwie wirkt er nämlich auch ein bißchen unverschämt, und außerdem knödelt der Sänger weder wie David Byron noch wie Ronnie James Dio. Aber immerhin haben die Leute Haare fast bis zum Boden (manchmal verwickeln sie sich in den Tremolo-Hebeln ihrer Gitarren). Ein feistes Rockvergnügen der doppelbödigen Art.

Bremens Messerknecht halten sich da weit weniger bedeckt, was das Haupthaar angeht. Und musikalisch ist auch weniger Hinterfotzigkeit angezeigt. Dafür gibt es eine krustige Mischung aus Metal und Hardcore, wohlversehen mit Breaks und Schlenkern. Wie gerüchtweise zu vernehmen war, übrigens morgen zum letzten Mal in bekannter Form. Jacke will nämlich in Zukunft nicht nur singen und Gitarre spielen, sondern auch elektronisches Gerät bedienen.

Daß dabei etwas in der Art von Prodigy entstehen soll, behaupten nur böse Zungen. Die neue Generallinie steht nämlich noch gar nicht fest. Nur, daß sie etwas weniger verfrickelt sein soll, und „mehr auf die Fresse“. Heute also noch einmal der gute und alte, tritonus-infizierte Messerknecht-Stil, der schon Vergleiche mit Helden wie No Means No, Helmet und Voivod evoziert hat. Immer noch einer von Bremens geheimsten Insidertips.

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Vor fünf Jahren


… quälte ich mich mitten in der Nacht aus dem Bett, um mit Laurie Anderson zu telephonieren. heraus kam das:

taz Nord 7.7.2007

Live in Oldenburg

Laurie Anderson

taz: Frau Anderson, Ihr neues Programm heißt „Homeland“, da denkt man an George Bush und seine Homeland Security, an den 11. September 2001 – worum geht es in Laurie Andersons „Homeland“?

Laurie Anderson: Es hat durchaus mit der politischen Situation in den USA zu tun. Aber es hat auch damit zu tun, wie die Menschen sich auf ihre Heimat beziehen. Das ändert sich. Dinge verschwinden. Zum Beispiel gibt es in New York keine Plattenläden mehr, weil die Menschen keine Platten mehr kaufen. Es gibt keine Telefonzellen mehr oder Bankfilialen. Viele Orte, zu denen Leute gegangen sind, sind nicht mehr da. Also lebt man in einer abstrakteren Welt. Vieles von meiner Arbeit handelt davon, wie Technologie Menschen verändert. Ich habe ein Interview mit einer 15-Jährigen gelesen, die sagte, dass ihre Generation kein Privatleben mehr wolle. Ihr ganzes Privatleben sei im Internet: ihr Tagebuch, ihr Sexualleben, ihr Bankkonto. Das ist eine Auswirkung von Technologie. Andere Teile des Programms sind eher persönlich.

Sie nehmen „Homeland“ erst nach der Tournee auf und improvisieren viel. Wie viel von dem Programm haben Sie vorher festgelegt?

Auf dieser Tour ändern sich die Texte nicht so sehr, hauptsächlich wegen der Übersetzung für die Übertitel, weil die Texte sehr wichtig sind. Deswegen hoffe ich, dass die Übersetzungen gut sind.

Angeblich bauen Sie für jedes Projekt eine besondere Geige. Ist das wahr?

Naja, nicht für jedes Projekt, aber ich habe viele verschiedene gebaut. Die Violine, die ich für dieses Projekt gebaut habe, ist sehr cool. Die ganze Technik für die Show ist sehr anspruchsvoll, aber auch fast unsichtbar, weil es keine Instrumente mehr gibt. Es gibt Software, Fußpedale und Trigger – das macht wirklich Spaß. So ist es auch nicht linear und du kannst schnell von einer Sache zur anderen springen: Wenn ich zum Ende eines Songs einen neuen Rhythmus haben will, dann kann ich mir sofort einen von fünfzig aussuchen. Viele Rhythmen sind aus gefundenen Klängen und verrückten Sounds entstanden.

Sie waren zwei Jahre lang „Artist in residence“ bei der NASA – eine angenehme Erfahrung?

Das war ein seltsamer Job. Ich war die Erste und Letzte, die das gemacht hat. Als sie mich fragten, ob ich es tun wolle, dachten sie wohl, sie würden irgendein sexy Techno-Projekt bekommen. Als ich ihnen sagte, ich würde ein langes Gedicht schreiben, waren sie sehr enttäuscht. Es war fantastisch. Ich habe lauter Nanotechnologen und Robotik-Ingenieure getroffen, die ich sonst nie kennengelernt hätte.

Denken Sie, dass es dieses Programm wieder geben sollte?

Auf jeden Fall. Es sollte einen Artist in residence im Weißen Haus, im Obersten Gerichtshof, im Kongress geben. Künstler haben einen anderen Blick auf die Welt.

Fragen: Andreas Schnell

Dienstag, 20.30 Uhr, Staatstheater Oldenburg