Good Time Charlies


Ich glaubte erst an eine Verwechslung – schließlich spielen auch Jawbreaker dieser Tage in Bremen, nur dass es sich nicht um die legendäre Punk-Band handelt, sondern um irgendwelche Metaller, die anderer Leute Lieder spielen und vielleicht nichtmal wissen, wer Jawbreaker waren… Die Good Time Charlies aber, die am kommenden Samstag (20.7.) im Römer mit den Meatles spielen, sind die gleiche Band, die schon vor elf Jahren das Bremer Sommerloch zu stopfen halfen:

taz Bremen 22.7.2002

Resch gestürmt

Die Good Time Charlies schütteten Punkrock in die Herzen. Quellen: Ramones, Ramones und Ramones

Wenn Redakteure und Redakteurinnen aller Ressorts sich vereinigen zum gemeinsamen Klagesang, wenn fleißigen Konzertgängern das Objekt ihrer Tugend flieht, das Schmeicheltier verreist, wenn die Wohnung leer ist, weil alle Welt ein Ding namens Urlaub hat – dann ist es gut, dass es junge Menschen wie die Good Time Charlies gibt. Vier junge Männer, deren gemeinsamer Name Programm ist.

Wahrscheinlich ist es auch kein Zufall, dass ausgerechnet sie in der Lage waren, die 60 bis 70 Menschen in der Tower Bar zu erretten. Die Good Time Charlies kommen aus Portsmouth im Vereinigten Königreich, wo, wie sie sagen, eines jeden Mannes Mutter eine Schwester ist, ein wenig so wie in Bremen, wie sie auch sagen.

Man wird sich sicher sein dürfen, dass der Sommer in Portsmouth nicht einmal verregneter sein wird, als der hiesige. Es gibt auch wenig Grund anzunehmen, dass all die Bands, die einen weiten Bogen um die ganze Stadt machen und manchmal sogar ums ganze Land, dass all diese Bands die sommerlichen Nächte in Portsmouth zum Vibrieren bringen.

Denn dann würden die vier jungen Männer, die gemeinsam die Good Time Charlies sind, den Sommer bestimmt in Portsmouth verbringen. Nein, ganz gewiss ist es in Portsmouth im Sommer ganz genauso öd – oder, je nach Geschmack: beschaulich – wie in dieser kleinen Stadt.

Umso besser, dass sie es auf sich nahmen, ihre Gitarren zu nehmen, um ein wenig Punkrock in die Herzen zu schütten. Sie taten dies mit bemerkenswerter Präzision, was dem Sujet entsprechend eine ganz gewisse Nuance der Ungenauigkeit impliziert.

Mit einem herrlich reschen, kontrolliert voranstürmenden Sound, gekrönt von eng geführten Gesangsharmonien führten die vier jungen Männer aus Portsmouth vor, wie sowas gehen kann. Mit Quellenangabe fassten sie pointiert zusammen, was sie unter Rock’n’Roll verstehen: Ramones, Ramones und Ramones. Vielleicht noch Rose Tattoo und die Beatles, aber vor allem die Ramones.

Zwei Stücke der Väter der abgewetzten Lederjacke, von denen in den letzten zwölf Monaten gleich zwei den Löffel abgaben, standen auf dem Programm, der selbstkomponierte Rest erfüllte die Erfordernisse locker. Zwei Dutzend Songs, an deren Titeln schön zu sehen ist, worum es am Samstag ging: „Dig The Fuzz“, „Small Town Fever“, „Fan Shirt“ oder „New Girlfriend“ – eins wie das andere eine nach allen Regeln der Kunst gefasste kleine Perle. Das und vielleicht noch ein paar Bier und man konnte versöhnt mit der Nacht neue Abenteuer suchen.

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Und weil’s grad passt mitsamt Einleitung…


auch noch das aus der taz Bremen vom 22.7.2002:

Resch gestürmt

Die Good Time Charlies schütteten Punkrock in die Herzen. Quellen: Ramones, Ramones und Ramones

Wenn Redakteure und Redakteurinnen aller Ressorts sich vereinigen zum gemeinsamen Klagesang, wenn fleißigen Konzertgängern das Objekt ihrer Tugend flieht, das Schmeicheltier verreist, wenn die Wohnung leer ist, weil alle Welt ein Ding namens Urlaub hat – dann ist es gut, dass es junge Menschen wie die Good Time Charlies gibt. Vier junge Männer, deren gemeinsamer Name Programm ist.

Wahrscheinlich ist es auch kein Zufall, dass ausgerechnet sie in der Lage waren, die 60 bis 70 Menschen in der Tower Bar zu erretten. Die Good Time Charlies kommen aus Portsmouth im Vereinigten Königreich, wo, wie sie sagen, eines jeden Mannes Mutter eine Schwester ist, ein wenig so wie in Bremen, wie sie auch sagen.

Man wird sich sicher sein dürfen, dass der Sommer in Portsmouth nicht einmal verregneter sein wird, als der hiesige. Es gibt auch wenig Grund anzunehmen, dass all die Bands, die einen weiten Bogen um die ganze Stadt machen und manchmal sogar ums ganze Land, dass all diese Bands die sommerlichen Nächte in Portsmouth zum Vibrieren bringen.

Denn dann würden die vier jungen Männer, die gemeinsam die Good Time Charlies sind, den Sommer bestimmt in Portsmouth verbringen. Nein, ganz gewiss ist es in Portsmouth im Sommer ganz genauso öd – oder, je nach Geschmack: beschaulich – wie in dieser kleinen Stadt.

Umso besser, dass sie es auf sich nahmen, ihre Gitarren zu nehmen, um ein wenig Punkrock in die Herzen zu schütten. Sie taten dies mit bemerkenswerter Präzision, was dem Sujet entsprechend eine ganz gewisse Nuance der Ungenauigkeit impliziert.

Mit einem herrlich reschen, kontrolliert voranstürmenden Sound, gekrönt von eng geführten Gesangsharmonien führten die vier jungen Männer aus Portsmouth vor, wie sowas gehen kann. Mit Quellenangabe fassten sie pointiert zusammen, was sie unter Rock’n’Roll verstehen: Ramones, Ramones und Ramones. Vielleicht noch Rose Tattoo und die Beatles, aber vor allem die Ramones.

Zwei Stücke der Väter der abgewetzten Lederjacke, von denen in den letzten zwölf Monaten gleich zwei den Löffel abgaben, standen auf dem Programm, der selbstkomponierte Rest erfüllte die Erfordernisse locker. Zwei Dutzend Songs, an deren Titeln schön zu sehen ist, worum es am Samstag ging: „Dig The Fuzz“, „Small Town Fever“, „Fan Shirt“ oder „New Girlfriend“ – eins wie das andere eine nach allen Regeln der Kunst gefasste kleine Perle. Das und vielleicht noch ein paar Bier und man konnte versöhnt mit der Nacht neue Abenteuer suchen.

Vor zehn Jahren für die taz bremen


kündigte ich ein Konzert der wunderbaren Oma Hans an:

taz Bremen 9.4.2002

Heilbringender Urin

 Lyrik, Poesie, verdammt noch mal: Oma Hans spielen im Schlachthof

Sie sind doch immer noch die Besten, unsere reifen Mitbürger, nicht zuletzt, wenn sie Oma Hans heißen. Die reizende alte Dame dieses Namens trägt deutliche Spuren gelebten Lebens – aus den Vollen natürlich.

Ich frage sie: Was wäre Punkrock ohne Jens Rachut? Anders gesagt: Was ergibt die Reihung „Angeschissen“, „Blumen am Arsch der Hölle“, „Dackelblut“, vielleicht auch „Kommando Sonnenmilch“ und „Oma Hans“? Manche Leute würden sich vor Freude kaum einkriegen, hätten sie nur ein einziges Mal das Fingerspitzengefühl gehabt, ihrer Band einen Namen wie diesen gegeben. Und dann auch noch eine Musik wie diese gespielt zu haben, die zwar (fast immer) Punk und auf Deutsch war, aber nie mit Deutschpunk verwechselt werden konnte.

Jens Rachut war an der Gründung all dieser Bands beteiligt, und wenn wir uns seine Lyrik, ja, verdammt, seine Poesie vor Augen führen, dann liegt der Schluss nahe, dass er ihnen auch die Namen gegeben hat.

Die Lieder seiner neuen Band allein: Mammutjagd in einem steinzeitlichen Sommer, die therapeutische Eignung von Pipi, Eispickel würgen, eine Sorte Stoff, die immer neue Bilder sucht, die jede Heimeligkeit torpediert, zugunsten von Wut, Leidenschaft, schmerzhafter Sehnsucht und musikalischer Seele, im Volksmund auch „Soul“ geheißen.

Die Musik atmet den alten Geist, aber sie atmet eben, anders als bei den ganzen unsäglichen Bewahrern der alten Form. Melodie heißt bei Oma Hans nie Pop, Lärm ist nie Muskelspiel, ihre musikalische Reduktion ist nie stumpf, ihre Stumpfheit nie langweilig.