… war ich immer noch eher dabei, mich der Freien Improvisation anzunähern und hatte durchaus schöne Abende dabei – wie den im Sendesaal, wo im Mai zwei Duobegegnungen zu sehen gab, über dich für die taz bremen schrieb. Im Folgenden die unbearbeitete, nicht korrigierte Fassung, wie sie an die Redaktion ging – obiges Video entstammt dem sehenswerten Film „Noisy People“ von Tim Perkis:
Manchmal fällt was runter
Ein Abend mit improvisierter Musik
Es stand als Sortierhilfe „Free Jazz“ in der Zeitung. Aber so frei ist der auch der freie Jazz nicht, wie es die Freie Improvisation gebietet. Letztere, derweil zum eigenen Genre geronnen, entstand ungefähr zur gleichen Zeit wie Free Jazz, verzichtete aber radikal auf Qualitäten wie Swing, Puls, Melodie, die im Free Jazz immer noch fortwirkten, setzte eher auf die Palette der Klänge, die einem Instrument auch mit Methoden zu entlocken sind, die nicht dem Lehrbuch entstammen. Zwei Duos führten am Mittwoch im Sendesaal von Radio Bremen verschiedene Ansätze vor. Die Bremer Hainer Wörmann (Gitarre) und Reinhart Hammerschmidt (Kontrabass) zeigten in einem etwas zu ausgedehnten Set, wieviel Verdichtung bei geringer Lautstärke möglich ist. Wörmann hatte größere Mengen von Effekten zur Verfügung und zudem ein Arsenal weiterer Gerätschaften (wahrscheinlich hatte er sogar seine Zahnbürste für den Notfall dabei), behelfs derer er seine Gitarre mit der liebevoll-konzentrierten Besessenheit des spielenden Kindes traktierte. Eine Blechdose fällt auf die Saiten und rutscht an ihnen herunter – ein interessanter Klang, mal sehen, was man daraus basteln kann. Hammerschmidt verarbeitete die Töne seines Basses ab und zu elektronisch weiter, konzentrierte sich aber eher auf das, was sich mit einem Bogen – sorum und sorum und auf die Spitze gestellt – aus dem Instrument locken ließ. Greg Goodman (Klavier) und George Cremaschi (Kontrabass) aus San Francisco ließen es spektakulärer angehen. Vor allem Goodman, nicht nur zentrale Figur der kalifornischen Improvisationsszene, sondern auch begnadeter Komödiant. Zum ersten Stück setzte er sich auf einen Barhocker, löste seinen Gürtel, zog aus einer Plastiktüte eine horrible Herrenunterhose Marke Schießer Feinripp mit Eingriff, zog sie sich über den Kopf und begann, Photos vom Publikum, Cremaschi und sich selbst zu machen. Auch wenn diese effektiven Szenen manchmal die Musik etwas überlagerten, gab es großartige Momente wie Goodmans Solo, in dem er allein auf zwei Tasten, irgendein tiefer Ton und seine Oktave, eine faszinierende Obertonarchitektur erschuf. So hielten sie die Balance zwischen der bisweilen esoterischen Suche nach dem Inneren des Klangs und dem, was auch freie Improvisation letztlich sein muss, will sie nicht zu Selbstzweck oder Angeberei verkommen: mitreißende Musik, die leider im Ambiente des Sendesaals und wegen der gedämpften Lautstärke etwas gebremst wurde.