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Vielschichtiger Lärm
Wolf Eyes aus Ann Arbor in der Friese in Bremen.
Wieder einmal waren es Sonic Youth, die Wolf Eyes sozusagen entdeckten und einem größeren Publikum vorstellten: Vor knapp zehn Jahren lud die New Yorker Avantgarde-Institution Wolf Eyes ein, sie als Vorband auf Tournee zu begleiten. Dabei stand allerdings von vornherein nicht zu befürchten oder – je nach Standpunkt – zu hoffen, dass Wolf Eyes eine ähnliche Karriere bevorstehen würde wie Nirvana, die einst ebenfalls als Vorband von Sonic Youth unterwegs waren und ihnen auch sonst nicht wenig verdankten. Daran änderte auch nichts, dass das ehemalige Nirvana-Label Sub Pop Records zwei Alben von Wolf Eyes veröffentlichten. Sie sind dann doch schlicht zu sperrig, zu radikal, zu laut. Dabei sind Wolf Eyes durchaus eine geschichtsbewusste Band und keine Bilderstürmer. 2006 nahmen sie sogar ein Album mit dem Jazz-Neuerer Anthony Braxton auf.
Auf der Bühne wirken Nate Young, John Olson und Jim Baljo eigentlich aus wie eine bunt zusammengewürfelte Rock-Band: Baljo mit wüstem Bart und langen Haaren, Young in existenzialistischem Schwarz, Olson mit einer Jeansweste, auf der hinten das Logo der Punkband Broken Bones prangt.
Und ihre Musik hat durchaus Rock-Qualitäten. Ihre Stücke sind hörbar komponiert, wenigstens in den Grundstrukturen, und sie werden beinahe stets von üblicherweise missgestimmten Beats angetrieben, die durchaus subtilen Groove haben können. Darüber liegen dann mehrere Schichten Noise, der aus Baljos elektrisch verstärkter und durch eine Reihe von Effektgeräten verfremdete Gitarre und geheimnisvollen Kisten mit rätselhaften Knöpfen quillt. Dazu bellt Nate Young mit verzerrter Stimme seine Botschaften. Bei genauem Hinhören klingt mal Kraut-Rock durch, mal Free Jazz, mal Heavy Metal. Und natürlich Industrial – die wohl radikalste ästhetische Ausformung der Punk-Ära.
Nach dem Auftritt von Wolf Eyes spielte John Olson unter dem Namen Henry & Hazel Slaughter, eines seiner nahezu unzählbaren Nebenprojekte, ein Set vor, das deutlich unterscheidbar, aber nach ähnlichen Parametern funktionierte, mehr Beats, mehr Lärm. Ein Beweis, dass Noise als musikalisches Genre vielfältiger ist, als es an der Oberfläche scheint.