Nachgereicht


Velvetone
Velvetone

… sei diese Konzertbesprechung (verfasst am 27.12.2012) für eine regionale Tageszeitung, der möglicherweise dann doch nicht gedruckt wurde – warum auch immer:

Das Banner auf der Bühnenrückwand verkündet: „Twang Supreme – Velvetone“. Twang, das ist ein Sound, den jeder kennen dürfte: Ennio Morricone benutzte ihn bei seinen legendären Filmmusiken für Sergio Leones Italo-Western, im Country und vor allem im Rockabilly ist er allgegenwärtig, Surf-Musiker wie Dick Dale machen ausgiebig davon Gebrauch. Und Velvetone, die am Mittwoch im Lagerhaus ihr schon traditionelles Winterkonzert gaben, wofür sie, auch das schon traditionell, sich wieder etwas besonderes ausgedacht hatten. Twang ist ein Kunstwort, erfunden für jenen höhenlastigen Gitarrensound, der beim Anschlag der Seite nahe am Steg entsteht, oft mit ausgeprägtem Vibrato und Hall versehen.

Nachdem in den Vorjahren mal ein Steel-Gitarrist oder die Bläser-Abteilung der Ska-Band Mad Monks mit den Bremer Roots-Rockern auf der Bühne standen, war diesmal Mike Scott eingeladen, ein in Bremen lebender Kalifornier, der unter anderem in der Punk-Band Nitrous Oxide Wrestling Club spielt. Was dem tief in der Ursuppe des Rock rührenden Sound der Band eine neue Schwere verlieh.

Vorab gab es den ersten Auftritt der Stringtone Slingers zu sehen, hervorgegangen aus den Tin Roof Cats. Wie jene arbeiten sich die Stringtone Slingers am klassischen Rockabilly ab, in minimalistischer Besetzung mit Kontrabass, E-Gitarre und einem Sänger, der sich auf der akustischen Gitarre begleitete, ganz wie zu Elvis‘ Zeiten, als der 1954 in den Sun-Studios „That’s Alright“ aufnahm, ohne Schlagzeug, weil das damals in den heiligen Hallen der Country-Musik in Nashville nicht erlaubt war. Interessant wurde es vor allem, als das Trio den Swing-Klassiker „Am I Blue?“ in der Eddie-Cochrane-Interpretation spielte und damit die auf Dauer etwas stereotypen Formeln des Rockabilly sprengten.

Mit denen haben Velvetone ohnehin nicht mehr viel am Hut. Ihre musikalische Suche führt weiter zurück, liefert ihnen das Material für eigene Songs, die virtuos mit dem Vokabular von Country, Rock’n’Roll, Blues und entlegeneren Genres arbeiten, ohne dabei in Retro-Posen zu erstarren.

Am Mittwoch sorgte nicht nur der regelmäßige Einsatz einer Pedal-Steel-Gitarre für verstärkte Country-Obertöne. Mike Scott, der sich an dem prototypischen Country-Instrument mit Velvetone-Gitarrist Tammo Lüers abwechselte, brachte auch an der elektrischen Gitarre eine deftige zusätzliche Note ins Spiel. Kein Wunder, möchte man meinen, stammt Scott doch aus Bakersfield, wo sich in den 50er Jahren ein Gegenentwurf zum weichgespülten Nashville-Sound entwickelte, mit Protagonisten wie Buck Owens, Merle Haggard und Dwight Yoakam, deren Musik unter anderem von einem kräftigen Twang geprägt war.

In dieser Besetzung liefen die gewohnt souverän aufspielenden Velvetone zu großer Form auf und entwickelten sichtlich Spielfreude, die sich umstandslos auf das Publikum übertrug. Es wäre schade, bliebe diese Besetzung eine einmalige Sache.

 

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