JESU -„JESU“
Hydrahead / Indigo
Oberflächlich betrachtet könnte man sich mit dem Hinweis begnügen, dass es sich bei Jesu um die neue Band des ehemaligen Godflesh-Mannes Justin Broadrick handelt. Klingt so und sieht auch so aus. Verschlepptes Leiden an der Welt, chronisch geworden, da wird der Tritonus zum Freund. An seiner Seite geblieben ist Ex-Prong-Schlagzeuger Ted Parsons, seinerzeit für deren Schwanengesang zu Godflesh gestoßen. Ben Green, der andere Godflesh-Mensch, zog sich derweil in Kabbala, Alchemie, Magie und andere Formen der Sinnsuche zurück. Jesu setzt an, wo Godflesh endete. Und zwar beim letzten Song ihres letzten Studio-Albums, einer Art Industrial-Metal-Power-Ballade, wenn ich es mal salopp so sagen darf.
Veränderung findet in Nuancen statt. So ist es wieder beängstigend, wie Broadrick aus ein, zwei Tönen ein tonnenschweres Riff bastelt, das die Welt verschüchtert in die Knie gehen lässt (wenn sie nicht gleich wegrennt). Aber deutlicher als zuvor durchzieht eine Trauer diese Musik, die zwar schon allein genügte, furchtsame Geister nachhaltig zu verschrecken, aber auch tiefe Einblicke in die mutmaßliche Gefühlswelt des Justin Broadrick gewährt (die bestätigen, dass nämlich der Mann so etwas wie ein enttäuschter Philanthrop sein muss). Außerdem lässt sie eine schwarze Schönheit erstrahlen, die kaum von dieser Welt ist. Ein mächtiges Album voller Stücke um die zehn Minuten, in denen Ol’ Griesgram erhaben und erhebend über Tod und Verderben meditiert. Wo ist Eros bei so viel Thanatos? Kann das noch Kunst sein? Papperlapapp: Über solchen Kinderkram ist Broadrick hinaus. Er leidet. Nur hassen mag er nicht mehr. Dafür ist die Angelegenheit zu bedrückend. Schön für uns, dass er eine derart schmerzlich schöne Form findet, sich dazu zu äußern.