Vor zehn Jahren


Die Auwahl für den Bremer vom November 2011 (ich weiß, es ist erst September, aber Redaktionsrhythmen gehen anders:

 

HER SPACE HOLIDAY

Manic Expressive

WICHITA/EFA

Nach einem Remix-Album nun hier der zweite reguläre Langspieler von Marc Bianchi. Ein wenig scheint er sich von seinen Dämonen verabschiedet zu haben, ist der Ton hier doch um ein Leichtes optimistischer als auf dem Debüt „Home Is Where You Hang Yourself“. Trotz verstärkten Einsatzes von Elektronik ist „Manic Expressive“ eine Songwriter-Platte und klingt sogar organischer als „Home Is…“; wohl, weil Bianchi auf „Manic Expressive“ mit üppigen Streicher-Sounds arbeitet, die zwar synthetisch erzeugt sind, gleichwohl aber die elegischen Songs warm ausfüttern. Und auch wenn Bianchi gleich in der ersten Zeile dieser Platte singt, dass er den Verstand verliert, ist die Stimmung hier bisweilen wenn schon nicht euphorisch, dann zumindest hoffnungsvoll und entspannt.

Das Cover-Artwork stammt übrigens von Shynola, die auch für die Gestaltung von Radioheads „Amnesiac“ verantwortlich waren.

 

TOMAHAWK

Tomahawk

IPECAC/EFA

Mike Patton (auch bei Fantômas und Mr. Bungle tätig), Duane Denison (Ex-Jesus Lizard und Hansdampf in allen Gassen zwischen Chicago und Nashville), John Stanier (Ex-Helmet) und Kevin Rutmanis (Ex-Cows, jetzt Melvins) schrieben mit ihren Bands ein essenzielles Kapitel „in Rock“ ums andere. Jetzt haben sie zusammen gelegt. Überraschend, dass sie mit sinistrem Lächeln ein vordergründig beinahe glattes, nicht selten ganz offenherzig rockendes Etwas vorlegen.

Wie bei den späten Jesus Lizard lässt Denison elegante Riffs aneinander krachen und legt splitternde Jazzrock-Soli oder fiese Noise-Schlieren darüber. Patton singt wieder, mehr zumindest, als bei seinen anderen aktuellen Projekten, wispert, schreit und croont, derweil Stanier und Rutmanis satte Grooves in Perfektion unterlegen. Unwahrscheinlich bei Ansicht der Mittel die Annahme, es handele sich hier um eine Rockband völlig neuen Typs. Vielmehr wird von abgeklärter Warte aus mit analytischem Blick und die eigene musikalische Vergangenheit seziert.

 

WILLY SCHWARZ

Home – Songs Of Immigrants, Refugees And Exiles

CLEARSPOT/EFA

Leider ist die unbestreitbare Aktualität dieser Platte keine auf die Gegenwart beschränkt punktuelle. Wahlbremer Willy Schwarz, selbst ein Wanderer und in der Vergangenheit unter anderem in der Band von Tom Waits sowie als Gast auf dem letzten Album von Velvetone zu hören, widmet sich auf seinem zweiten Solo-Album dem Themenkreis der freiwilligen und unfreiwilligen Migration, erkundet mit viel Empathie die verschiedenen Aspekte des Fremdseins vor allem für das Individuum, Existenzkampf, Ausgrenzung und die Sehnsucht nach einem besseren Leben. Seine Band ist in Entsprechung dazu international besetzt und kennt musikalisch keine Grenzen. Zwischen Rock, Jazz und folkloristischen Spielweisen indischer, amerikanischer, afrikanischer und osteuropäischer Provenienz kreieren Schwarz und seine Band einen überraschend schlüssigen World-Folkrock.

 

CONSOLE: Live At Centre Pompidou (Payola A8/Code 05/Hausmusik) Die Band, die mit „14 Zero Zero“ die Chupa Chups-Werbung gerockt hat, kann auch anders. Im Pariser Centre Pompidou spielten sie einen Ambient-Set. Konstante: Die schlackenlose Verbindung aus analog und digital, die Console auch für Nicht-Elektroniker so attraktiv macht.

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