befasste ich mich im BREMER mit folgenden Neuerscheinungen:
SAVOY GRAND
Dirty Pillows
GLITTERHOUSE/TIS
Mann, ist das Ding schön! Langsam wie Codeine, aber ohne deren Schwere, ganz zart instrumentiert, fragil gesungen, elegisch. Und spätestens wenn das impressionistisch-streichquartettene „Moving Air“ erklingt, ist der Widerstand gebrochen: „Just got off the telephone/the world has been all over you/no, don’t think i can cope with what they have left of you…“ Manche Männer können seine Gefühle eben doch zeigen.
Wie wenn dir jemand von dem ganzen Schiet erzählt, durch den gequälte Seelen hindurchmüssen – all der Schmerz steckt in diesen wenigen Worten. Aber es ist nicht die scheinbar mählich verfallende, kaputte Schönheit einer Band wie Idaho, sondern abgeklärter, ohne Selbstpreisgabe, bei aller musikalischen Zartheit deutlich und fast schon trotzig am Willen zum irgendwie angenehmeren Leben fest haltend, man muss ja schließlich nicht unbedingt rumschreien deswegen. Ganz sicher jedenfalls gibt es außer dem eher gelegentlich veröffentlichenden Mark Hollis (Ex-Talk Talk) wohl kaum jemanden, der in solcher vollendeten elegischen Schönheit musiziert.
Eine verlegerische Großtat übrigens auch von einem Label, das in vergangenen Jahren leider nicht unbedingt auf Perlen dieses Kalibers abonniert war.
DJ EDDIE DEF
Inner Scratch Demons
IPECAC/EFA
Der Ansatz ist ganz ein alter: Eine spezielle Sorte von „Anything goes“, allerdings eine, die von diesem „Anything“ strikt ausschließt, was irgendwie sowieso schon Konsens ist, die dafür aber umso inniger begrüßt, was eben neu oder doch zumindest abseitig genug ist, den Gralshütern den Schweiß auf die Stirn treten zu lassen. Michael Patton, ehedem Sänger bei Faith No More, außerdem bei Fantomas und Mr. Bungle tätig, gründete vor rund zwei Jahren das Ipecac-Label, auf dem seither u.a. nicht nur ein halbes Dutzend Melvins-Platten erschien, sondern auch eine Kollaboration Pattons mit Merzbow, das Album der Kids Of Witney High, die Band einer Schule für geistig Behinderte, eine Oldschool-Country-Band namens Lucky Stars, ein Album des Elektronik-Wizards Kid 606 und eben dieses von DJ Eddie Def.
Der in San Francisco lebende Def ist auf seine Weise hier bestens aufgehoben. Mit Verve klatscht er den alten HipHop dem neuen um die Ohren, sampelt sich durch die Musikgeschichte von Bossa bis Speedmetal, wobei er sich nur wenig um einen durchgängigen Groove schert, sondern lieber zeigt, dass nur wenige Leute so schnell auf Platten kratzen können wie er. So funktioniert seine Musik dann auch ähnlich wie, sagen wir, eine Mr.Bungle-Platte, über Zitate, Virtuosität, generelle Durchgeschossenheit und die allgemeine Fülle von Zeugs, dass einen meist gleichzeitig von mehreren Seiten her überfällt.
SACCHARINE TRUST
The Great One Is Dead
HAZELWOOD/EFA
Wie aus einer anderen Zeit lugen Jack Brewer und Joe Baiza herüber. Schließlich ist es nun auch schon fünfzehn Jahre her, dass es ein neues Album von Saccharine Trust gab, nimmt man einmal die Compilation „Past Lives“ von 1989 aus, damals noch auf dem legendären SST-Label. Seit ein paar Jahren spielen beide wieder zusammen, der irre Poet Brewer und der autodidaktische Erfinder der mecolodischen Spielweise Baiza, spätestens zu Ruhm gekommen mit den fusionären Meistern des Universal Congress Of. Unterstützt von zwei jungen Alleskönnern an Bass und Schlagzeug setzen sie da an, wo sie 1986 aufhörten. Rock? Jazz? Hardcore? Irgendwie nein, und doch gleichzeitig alles.
Dabei klingt Baizas Gitarre immer noch wie nicht von dieser Welt, sucht unbeirrt nach neuen Möglichkeiten, und die schrägen Song-Konstrukte sind über die Jahre alles andere als landläufig und somit beliebig geworden, sondern immer noch die musikalische Entsprechung zu Brewers bizarrer Poesie. Verquer, schillernd, brodelnd. Auch wenn vor allem Brewer mittlerweile sein biologisches Alter anzusehen ist, ist dieses Comeback eins in sprichwörtlicher alter Frische. Dass sich dafür ausgerechnet ein Label aus Frankfurt/Main zuständig erklärt, ist erfreulich wie bezeichnend für den Niedergang des SST-Labels, von dem eigentlich gar nichts mehr übrig geblieben ist, außer vielleicht ein paar Kartons mit Platten von Hüsker Dü, Minutemen, Black Flag – und Saccharine Trust.
Short Cuts
BRIGHT EYES: Letting Off The Happiness (Wichita/Clearspot/EFA) Conor Oberst aka Bright Eyes überraschte letztes Jahr die Welt mit „Fevers And Mirrors“: Gerade zwanzig Jahre alt, hatte er eine Kollektion vollendeter Songs geschrieben, bitter, aber immer und unbedingt schön. Nun erscheint ein Album, das in den USA bereits 1998 herauskam. Auch hier erweist sich Oberst als enormes Talent mit eigener Handschrift, beeinflusst von Country, Folk und Weirdo-Rock. Tipp!
LIFE WITHOUT BUILDINGS: Any Other City (Tugboat/EFA) Ein wirklich hinreißendes Debüt, mit dem eine brachliegende Idee aufgegriffen wird, die sich einst – in der Postpunk-Ära – mit Namen wie The Slits, Japan oder Television verband. Schon die ausgekoppelte Single „The Leanover“ verursacht Schmacht nach mehr von dieser eigensinnigen, spröden Musik.
Und was wurde aus Life Without Building? Irgendwer da draußen eine Ahnung?