Vor zehn Jahren


wählte ich folgende Werke für die Seite mit den Plattenbesprechungen im Bremer aus. Was wurde bloß aus Nought?

Nøught

Nøught

SHIFTY DISCO/EFA

Shifty Disco ist ein neues Label, dass sich ganz dem alten Independent-Gedanken verschrieben hat. Was immer den Machern gefällt, wird veröffentlicht, ob es sich verkauft oder nicht. Da finden sich dann Singer/Songwriter neben Pop-Bands im Geiste der Beatles, amerikanischer College-Pop neben abgefeimtem Glamrock.

Nøught klingen dann wieder ganz anders und nehmen eine Sonderstellung im stilvollen Programm ein. Mathematischer Rock trifft himmelstürmende Orchestrierungen, eine Klarinette verbreitet einen Hauch Jazz, mit Sitar, Bläsern und Streichern arrangierte, wunderschöne Melodien schrauben sich hysterisch in einen Taumel, mäandern zwischen der „klassischen“ Musik des frühen 20. Jahrhunderts und komplexeren Spielformen des Rock/Hardcore der späten Achtziger. Dass sie sich dabei, wie es u.a. auch zu jener Zeit zum guten Ton gehörte, so gar nicht um Genre-Grenzen kümmern, hat hier einen zeitgemäßen progressiven Instrumental-Rock mit hochfliegenden Ideen zur Folge, kühn in Konzept und Ausführung.

Und was daran noch besonders erfreut: „Nøught“ klingt bei alledem so dermaßen unterhaltsam, ist vor allem Rock, weit entfernt von musikalischem Akademismus. Band und Label dürften gleichermaßen als Hoffnungsträger gelten.

Kante

Zweilicht

KITTY-YO/EFA

Schwarz

Das Schloss

ANDROMEDA/EFA

Sie könnten kaum verschiedener sein: Kante, die Schöngeister aus Hamburg, eine Band, die man nicht hört, eher „rezipiert“, und Schwarz, eine New-Metal-Band aus Berlin, denen bei allem Pathos hörbar am Rocken als solchem gelegen ist. Sie werden hier gemeinsam gewürdigt, weil ihre jeweils aktuellen und zweiten Alben neben deutscher Lyrik noch etwas entscheidendes gemeinsam haben. Kante finden auf „Zweilicht“, lose von einem im Titel angedeuteten Konzept verbunden, zu einer erstaunlichen Üppigkeit, die so nach dem noch eher strengen Debüt „Zwischen den Orten“ nicht zu erwarten gewesen war. Vom Kammerorchester bis zu minimalistischer Elektronik wird das Instrumentarium erweitert, und die Stücke wurden länger und länger. Kante sind übrigens immer noch am besten, wenn Peter Thiessen nicht singt, wie in dem fast zehnminütigen „Best Of Both Worlds“.

Schwarz haben sich für „Das Schloss“ ebenfalls allerlei einfallen lassen und ihre Stücke dabei mit Gastauftritten, Effekten und Gimmicks befrachtet. Neben dem Drang zum Erhabenen, der mit der Tendenz zum „Werk“ bei Kante korrespondiert, ist es nun vor allem der inhaltliche Ertrag, in dem beide Bands schließlich zueinander finden und in eine derzeit mal wieder schwer konjunkturiende „Sinnstiftung durch Liebe“-Propaganda einstimmen. „Zweilicht“ schließt mit dem Song „My Love Is Still Untold“, „Das Schloss“ endet mit „Liebe“.

Welche die ihrer Ambition eher gerechte Platte ist, ist nicht schwer zu erraten. Kante haben das musikalisch ergiebigere Konzept und verzichten auf das Spiel mit Magie und Mystik, das Schwarz zuzeiten nach Märchenonkeln klingen lässt. Sinnsuche jedenfalls scheint – da nehmen sich beide Bands nichts – wieder schwer im Kommen zu sein.

Und zwei Kurze:

THE FALL: The Unutterable (Eagle Rock/Connected) Mark E. Smith ist auch nach der Pizza mit Tocotronic ganz der Alte geblieben. Von all den unzähligen bisherigen Fall-Alben unterscheidet sich“The Unutterable“ vor allem dadurch, dass es das neueste ist.

MOTORPSYCHO: Roadwork Vol. 2 – The MotorSourceMassacre (Stickman/Indigo)

1995 traten Motorpsycho mit der Trondheimer Free-Jazz-Band The Source auf. Dies ist der Mitschnitt der Show. Ein wildes Fest zwischen Rock, freiem Jazz und dem Lärm aus Deathprods analogen Synthesizern. Motorpsycho – wieder einmal – ganz anders, und gleichzeitig und deshalb aufregend wie immer. Neulinge in der Welt von Motorpsycho sollten wohl einen anderen Eingang wählen.

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