Visit Wels, home of the beautiful Music Unlimited Festival and see Carla Bozulich plus a dozen other amazing musicians. Been there several times.
For this year’s program visit
Here’s a little report on what happened there three years ago i wrote for TRUST, in German…
Wels Music Unlimited
Höhepunkte kalifornischer Musikerzeugung
Es war mein drittes Music Unlimited – und vieles sprach dafür, dass hier ein einsamer Höhepunkt meiner ganz persönlichen Konzertgeschichte stattfinden würde, eine Kulmination jahrelanger Beschäftigung mit verschiedenen Musizierweisen, die sich an eben nicht zuletzt einem Ort zu einem kaum entwirrbaren Knäuel verflochten und mich immer wieder überraschten, angefangen wohl mit „Nothing Show“ von Idiot Flesh, die mich mit dem darauffolgenden Album „Fancy“ auf das Vaccination-Label und damit weitere Exponenten der Oaklander Szene stieß, und von dort aus ging es immer weiter und hörte bis heute nicht auf. Umso mehr ein innerer Vorbeimarsch dann dieses Festival, bei dem sich Musiker und Publikum vermischen, weil die Musiker immer auch Fans sind, der Rahmen überschaubar genug, und sich 2007 sowieso alles schon aus der Nachbarschaft kannten, aber in so geballter Konzentration (so und so) daheim nur selten aufeinandertreffen. Und der kleine Stone mittendrin – ich sag euch, das war was…
Nun aber doch noch ein wenig Geschichte: Zum ersten Mal war ich 2005 nach Wels in Oberösterreich zum Music Unlimited gefahren, weil dort eine Aufführung von „Electric Ascension“ stattfand, für die das ROVA Saxophone Quartet aus der Bay Area, dessen Mitglied Larry Ochs wiederum das Festival kuratiert hatte, unter anderem Nels Cline eingeladen hatte, der auch noch in zwei weiteren Gruppen auftrat. Schön, dass auch noch das Tin Hat Trio dabei war, Trevor Dunn’s Trio Convulsant und etliche andere, aber nicht zuletzt war ich wegen Nels Cline dort. Für das nächste Jahr war dann für das 20. Music Unlimited ein kaum weniger aufregendes Programm annonciert: Fred Frith spielte an allen drei Abenden, Charming Hostess waren dabei, The Ex, wieder Carla Kihlstedt, die im Vorjahr als Teil von Tin Hat sowie im Duo mit Satoko Fujii aufgetreten war.
Charming Hostess, Carla Kihlstedt – das reicht auch zurück in die Jahre, in denen ich die Szene in Oakland entdeckte, in der sich auch neben Idiot Flesh so erfreuliche Formationen wie Ninewood, Mumble & Peg, Giant Ant Farm, GrndNtl Brnds, Eskimo herumtrieben, deren Aktivitäten sich wiederum zurückführen ließen und überschnitten mit Bands wie Fibulator, Molecules und so weiter und so fort.
Deswegen war klar, dass ich dabei sein wollte, als zu lesen war, Carla Kihlstedt würde 2007 das Music Unlimited XI kuratieren. Kihlstedt sorgte zu diesem Anlass dankenswerterweise für einen Auftritt von Sleepytime Gorilla Museum, bei denen sie mitspielt und mit Teilen deren Belegschaft sie auch Charming Hostess zur „Bigband“ machte, engagierte Secret Chiefs 3 von Ex-Mr.-Bungle Trey Spruance, rief die kürzlich aus alter Liebe wiederformierten Molecules herbei, ließ Faun Fables antreten, die mit Sleepytime Gorilla Museum eng verbandelt sind, und karrte noch einen ganzen Schwung weiterer Nachbarn aus Oakland und Umgebung heran. Dass ich das nochmal erleben durfte – war ich doch eigentlich auch immer gern vor Ort, um all das zu sehen, was sich aber in einigen Fällen gar nicht, in anderen eben nur sehr sporadisch ereignete.
Was genau an jenem Ort so anders oder zumindest immer wieder aufregend ist, ließ sich theoretisch nur ansatzweise klären (wie die Interviews mit Carla Kihlstedt und Dan Rathbun, Nils Frykdahl und Michael Mellender zeigen), wird aber zumindest skizzenhaft klarer, wenn man sich vor Augen führt, was dort so im Einzelnen geschieht. Dass hier die ganz großen Namen fehlen mögen, aber so etwas wie eine Community besteht, innerhalb derer das spontane gemeinsame Musikmachen Alltag ist, zahllose Projekte gedeihen, die zwischen Americana und freiem Spiel kaum etwas auslassen.
Das setzte sich in Wels unmittelbar um in ein gemeinsames Fest voller euphosirierender Momente – denn schließlich hat man ja auch zuhause kaum Gelegenheit drei Tage lang auf einem Fleck zu hocken – während es draußen stürmt und schneit, zumal – und einander in Ruhe zuzuhören.
Der Reigen wurde von Gino Robair (Schlagzeug) und John Butcher (Saxofon) im freien Flug der Einfälle eröffnet, „klassische“ freie Improvisation, das Forschen nach neuen Klängen, die Bearbeitung von Instrumenten mit anderen Mitteln, die Sprengung jeglicher Form. Dann kam das Violet Quartet mit Christof Kurzmann, John Tilbury, Stevie Wishart und Werner Dafeldecker, dann das Ben Goldberg Quintet, unter anderem mit Carla Kihlstedt, Devin Hoff und Ches Smith, die im weiteren noch ein paarmal zu hören sein würden, beides schon eher freier Jazz, weiters das etwas anstrengende Trio Bolivar Zoar und schließlich ein äußerst kurzweiliger Auftritt der Molecules um Ron Anderson, die mit den Mitteln von Hardcore Rock zerlegten und dabei Teile der Jazz-Geschichte gleich noch mit. Gegen Ende gab es ein ergreifend schepperndes „Lonely Woman“ (Ornette Coleman) zu hören. Das war dann allerdings in seiner Spazzness selbst für das durchaus belastbare Publikum etwas zu viel des Guten, weshalb die Halle nur schwach besetzt war.
Der zweite Tag begann mit einem Gesangsstück von Lisa Bielawa, die für Kihlstedt die „Kafka Songs“ komponiert hatte, die letztes Jahr aufgeführt wurden – von der Geigerund Sängerin souverön gespielt und zugleich gesungen, in ebenjenem Pavillon, in dem Bielawa ihr „Collective Cleansing“ zeigte.
Danach machten sich Matthias Bossi (auch einer der beiden Schlagzeuger von Sleepytime) und Scott Amendola (häufig als Schlagzeuger mit Nels Cline zu hören) im Kornspeicher, einer weiteren externen Spielstätte, dran, über ein kleines Motiv zu improvisieren.
Auch der Samstagabend begann improvisationslastig mit Ellery Eskelin, Andrea Parkins und Jim Black, das Duo Marina Rosenfeld und Christof Kurzmann reduzierte im Anschluss noch weiter, Larry Ochs & Drumming Core mit den Schlagzeuger Scott Amendola und Donald Robinson sowie Trompeter Natsuki Tamura und Pianistin Satoko Fujii verfolgten Free Jazz und Improv in offenen Kompositionen, dann kam der ätherische Folk von Faun Fables, deren Anführerin Dawn McCarthy über eine ganz und gar beeindruckende Stimme verfügt, die auch auf dem grandiosen Album „The Letting Go“ von Bonnie „Prince“ Billy zu hören ist (bitte: wer es noch nicht getan hat, höre dieses Album – es ist ein Klassiker!). Mit Meredith Yayanos, Kirana Peyton und dem schon etwas länger beteiligten Nils Frykdahl (Sleepytime Gorilla Museum) stellte sie die neue Besetzung der Band vor und wirkte innerhalb des doch recht avantgardistischen Programms seltsam aus der Zeit gefallen, mit wallenden Kleidern, Flöten und Klageliedern über Reisende. Aber ganz toll! Das Finale des Abends dann mit den grandiosen Secret Chiefs 3, die nach Angaben von Trey Spruance viel zu selten spielen, was sich nunmehr ändern soll – was wünschenswert wäre, denn ihre Mischung aus arabischer Melodik, surfenden Gitarren und Heavy-Metal-Cut-Up-Techniken war äußerst einnehmend. Musiker wie Ches Smith und Shahzad Ismaily, die beide zu den meistbeanspruchten Musikern des Festivals gehörte und sich in den unterschiedlichsten Settings bewährten, machten den Auftritt zu einem veritablen Erlebnis in erhabener Lautstärke.
Sonntag, leichte Katerstimmung, große Vorfreude. Und ein Beispiel für den Community-Gedanken: In der Galerie der Stadt Wels ist Carla Kihlstedts „Sympathy And Difference“ zu hören. Auf die Ecken und Ränder des Raums verteilt sitzen die meisten der an diesem Wochenende auftretenden Musiker, sortiert nach Instrumentengruppen, wobei zu den gewohnten Instrumenten Dinge wie Flaschen und Gläser kommen. Ein Gesangstrio, zwei Glasorgeln, ein Flaschenblaskreis, ein Violinentrio (an den Wänden Bilder einer Ausstellung über Branding – so und so: als Marken und als Brandzeichen, das Nike-Symbol Gesichter eingebrannt) spielen bereits, als das Publikum den Raum betreten darf. Was zunächst kunstvoll esoterisch anmuten könnte, entwickelt sich mit spannungsreichen Intervallen zu einem humorvollen Stück, in dessen Verlauf sich die Musiker gar schelmisch zuprosten.
Dann waren Devin Hoff (Bass) und Ches Smith (Schlagzeug) an der Reihe, die im Kornspeicher als Good For Cows eine beeindruckende Vorstellung gaben, athletisch, behände zwischen subtilem Spiel und Free-Metal-Ausbrüchen changierend, die Grenzen zwischen Komposition und Improvisation konsequent zum Ausgangspunkt erklärend. Hier ließ sich hören wie wenig sich diese Musiker um Genres scheren: Von Jazz bis Heavy Metal reicht das Material ihrer Musik.
Der letzte Abend begann wundersam anders: Wu Fei aus Peking, die singt und die alte chinesische Harfe Gu-Zheng spielt, spielte zarte Kompositionen mit gelegentlichen Exkursen ins Freie. Danach folgte ein Ausflug in den Free Jazz mit dem niederländischen Trio aus Michiel Braam, Wilbert de Joode und Michael Vatcher, zupackend, kraftvoll, bevor Carla Bozulich die Bühne betrat, mit einem beeindruckenden Aufgebot an Begleitmusikern, die zwar sämtlichst irgendwann schon einmal Teil ihrer Entourage waren, aber hier erstmal gemeinsam die Sängerin begleiteten. Tara Barnes, Marika Hughes, Shahzad Ismaily, Ches Smith und Carla Kihlstedt unterlegten einen Sound, wie ihn vermutlich Velvet Underground vergeblich versuchten, auf Band zu bannen, krachend, pulsierend, intensiv. Bozulich, angesichts dessen beinahe zu Tränen gerührt, polarisierte zwar, gehörte für mich aber zu den unverzichtbaren Bestandteilen des Festivals. Neben dem alten Fibbers-Song „Arrow To My Drunken Eye“ und dem Low-Song „Pissing“ stach vor allem ein ganz neues Stück heraus, das laut Shahzad Ismaily bald auf einer neuen Platte zu hören sein wird – kompakt, laut, treibend, toll.
Terrie Ex und Moe!Staiano (früher auch mal Schlagzeuger bei Sleepytime und zum ersten Mal außerhalb der USA zu sehen) mochte ich mir danach nur auszugsweise anhören. Ich wartete auf Sleepytime Gorilla Museum. Und das war ein Fest. Nach dem Einzug der Musiker in einer unglaublichen Lumpenprozession zwangen sie das Publikum in die Knie. Laut, komplex, hart, aber auch von verblüffender Schönheit und überraschendem Humor. Darauf hatte ich ungefähr seit zehn Jahren gewartet. Ein Fest. So sehr, dass ich am nächsten Morgen glatt meinen Zug verpasste, aber das ist eine andere Geschichte…