Glauben wir zur Abwechslung mal dem Hype! Diese Typen aus El Paso haben etwas, was viele nur versprachen. Dies sind keine Typen mit albernen Baseball-Kappen und, je nach Gusto, larmoyanten Befindlichkeitssongs oder standardisierten Metal-Riffs, die was von Hardcore, Abteilung „echter Stoff“, erzählen. Hier tropft jeder Ton vor Herzblut.
At The Drive-In wollen nicht die härteste Band der Stadt und haben doch mehr Energie, als das meiste, was unter dem arg strapazierten Label Hardcore zu bekommen ist, von einem Präfix ganz abgesehen, dass hier im Blatt bereits vor ein paar Monaten etliche animierte, „Emo“-tional zu werden. Dort wurden At The Drive-In flugs zugebuttert, was einerseits die Inkohärenz der musikalischen Sortierung bebildert, andererseits ob der Dringlichkeit im Ausdruck Sinn macht.
At The Drive-In live, das ist eine explodierende, pulsierende, zuckende Band, die spielt als gäbe es kein Morgen. Ein afro-bekopfter Sänger namens Cedric, mehr in der Luft oder sich am Boden windemd, als dass er irgendwo herumstünde, während sein Mikrophon anscheinend ein Eigenleben führt, um trotzdem zu (fast) jedem Einsatz am richtigen Ort zu sein, und eine Band, die das Wort Spielfreude neu mit Sinn erfüllt. Die Energie, die At The Drive-In frei setzen, ist enorm. Nun hat die Welt des Geschäfts von ihnen Notiz genommen.
„Die Leute, die Digital Entertainment Network (DEN) betreiben, wollten die Platte herausbringen“, berichtet Cedric Bixler. „Sie managen u.a. die Beastie Boys. Mike D. hatte die Platte gehört und mochte sie. Eines Tages sagten sie, wir seien nicht mehr auf DEN, aber sie hätten mit Grand Royal fusioniert, die ihren Vertrag mit Capitol gerade aufgelöst hatten. So endeten wir auf Grand Royal. Das ist lustig, weil das eines der Labels ist, denen ich unsere Sachen schicken wollte. Es gab noch andere Angebote von großen Labels, die wirklich seltsam waren. Sie wollten uns ins Radio bringen und all den Mist. Das war nicht unser Stil. Wir haben das Essen mitgenommen und ein paar CDs, die wir nachher versetzt haben,“ lacht Cedric, und Omar, einer der beiden Gitarristen, stimmt unbeschwert ein.
Ende September erschien – in Deutschland via Zomba – „Relationship Of Command“, aufgenommen von Ross Robinson, berüchtigt für monströse Metal-Produktionen. Habt ihr euch den ausgesucht?
„Omar, sags ihm…“ druckst Cedric herum.
„Du meinst, wie es war, mit ihm zu arbeiten?“
Omar lacht in sich hinein…
Cedric: „Schneller!“
Und sie können sich kaum einkriegen, bis Omar erzählt: „Er hatte uns gehört und wollte uns aufnehmen. Wir waren nicht gerade begeistert. Dann bot er uns an, einen Song umsonst bei ihm aufzunehmen, und es war großartig.“
Cedric ergänzt: „Er brachte uns bei, uns im Studio gehen zu lassen. Und wir hatten zum ersten Mal genug Zeit. Bei ‚in/CASINO/OUT‘ fehlen eine Menge Backings. Komisch, was man so vergisst. Ich habe noch nie nach seiner Methode aufgenommen – allen vorher meine Texte zu erklären, eine Stimmung herzustellen, damit alle auf der gleichen Ebene sind, damit entsteht, was wir auf der Bühne machen. Das hat er geschafft.“
Auf den Mann lassen sie nichts kommen. „Er versucht, von seinem Ruf wegzukommen“, erzählt Cedric. „More power to him! Er hasst, was er getan hat. Naja, er hasst es nicht, aber er mag nicht, was daraus geworden ist.“
Das Ergebnis enttäuscht jedenfalls locker sämtliche Befürchtungen, die man hätte haben können. Immer noch scheint Cedric kaum an sich halten zu können, ohne dabei die – manchmal wirklich schönen – Melodien zu vergewaltigen, immer noch braucht die Musik At The Drive-Ins keine Breitwand-Gitarren, um die Wirkung zu entfalten, die sie aus Dynamik, Taktverkürzungen und sorgfältig platzierten Brüchen bezieht – und zunehmend auch aus der Beschäftigung mit anderer Musik. Cedric und Omar betreiben nebenher noch die Dub-Band De Facto, und schon auf „Vaya“, der grandiosen letzten EP, waren verstärkt elektronische Sounds eingelegt, auf einer Split-EP mit den Tschechen Sunshine gingen sie noch weiter.
„Wir wollten nicht immer normalen Rock-Kram schreiben“, sagt Cedric. „Es hilft, die Monotonie aufzubrechen. Das neue Album ist Rock. Aber wahrscheinlich wird es auf der nächsten EP mehr davon geben.“
Die Arbeit mit Ross Robinson hatte überdies zur Folge, dass Fossil Iggy Pop bei „Rolodex Propaganda“ mit Cedric duettiert.
„Ross kennt ihn. Wir schickten ihm eine CD, er mochte es und kam vorbei. Es hat Spaß gemacht“, erzählt Cedric.
Und die Sache mit dem Emo-Core?
Nach einem gepflegten Lachanfall meint Cedric: „Damit muss Schluss sein. Es war ein schlimmes Wort, dann wurde es cool, und jetzt ist es wieder ein schlimmes Wort.“