Kultur – was ist das eigentlich?


Ästhetische Abbildung der Wirklichkeit? Kritische Auseinandersetzung über die Welt? Sinnstiftung durch Künstler mit dem nötigen Gespür dafür, worum es wirklich geht oder doch zu gehen hätte?
Jeder, der etwas auf sich hält, sorgt sich um die Kultur, und auch der Staat leistet sich Minister und Etat dafür. Was also ist sie? Offenbar hat sie nicht viel mit dem Alltag zu tun, denn da dreht es sich um Dinge wie frühes Aufstehen, Arbeiten und davon auszuruhen – da capo al fine. Alles in allem recht unerfreuliche Dinge also. Kultur spielt sich eher außerhalb des Reichs der lästigen Notwendigkeiten ab. Ist sie also ein Luxus, den sich eine Gesellschaft leistet, damit das Leben lebenswert wird? Hat man sie also vielleicht deshalb so nötig, weil man in ihr findet, was man im Alltag nicht entdecken kann? Erbauung vielleicht? Das Gute? So wird es wohl sein, denn als Sinnstifterin wird sie allseits geschätzt. Doch nimmt sie als solche dann nicht eher eine antikritische Rolle ein? Wird nicht in der Sinnfrage nach Gründen gesucht, die hinter den „profanen“ Zwecken liegen, die in der Welt aus Herrschaft, Kapitalismus und Kriegen walten? Ist das nicht die Fahndung nach guten Gründen, mit der Welt seinen Frieden schließlich doch zu machen?
Die Herrscher dieser Welt haben diese Leistung kulturellen Treibens jedenfalls von jeher zu schätzen gewusst, sollte und soll doch der Glanz der von ihnen gesponserten Welt des Schönen und Kunstvollen auf ihre Herrschaft abstrahlen und sie erst ins richtige Licht rücken. Auf diese Weise können sich die von der realen Herrschaft Betroffenen an der Einbildung erbauen, dass sie Teil von etwas Höherem sind, das die damit verbundenen Opfer schon wert sein wird. Die Obrigkeit, die das Schöne praktisch in die Welt setzt, zum Beispiel über Theatersubventionen, Museen, Stipendien, Kunst im öffentlichen Raum und ähnliches, beantwortet dergestalt die nationale Sinnfrage, so dass sich ein Franzose über die Grande Nation ebenso freuen darf wie der Deutsche über das Land der Dichter und Lenker, pardon, Denker. Nationalität kennt Kultur also auch, und das nicht zu knapp. Wenn es in der Kultur darum geht, die Nation zu adeln, ist die nationale Vereinnahmung der Künstler noch die leichteste Übung. Wenn an ihnen festgehalten wird, dass sie Lichtgestalten der jeweiligen Nation sind, offenbart dies die Ignoranz gegen jeden bestimmten Inhalt der Künstler. Schließlich muss ja ein Volk, das so viele große Menschen hervorgebracht hat, etwas ganz Besonderes sein. Da wird noch ein Bertolt Brecht, seines Zeichens bekennender Kommunist, als großer deutscher Denker geschätzt. So kann man als Deutscher, Franzose oder Engländer schon stolz sein auf „seine“ Vergangenheit, in dessen Tradition man sich fühlen darf.
Und die Künstler? Die missverstehen den Zweck der Veranstaltung so gründlich, dass sie meinen, ohne sie ginge überhaupt nichts. Sie verwechseln das Interesse des Staates, sich mit einer nationalen Kunst zu schmücken, mit der Bedeutung ihrer Werke. Von der sind sie so überzeugt, dass sie die Anerkennung des Staates glatt einfordern, wenn der sie ihnen versagt, etwa wenn er aus haushaltspolitischen Gründen beschließt, sich ein Theater zu sparen. Bitter, wenn man so seinen Arbeitsplatz verliert, aber es steht zu befürchten, dass sie daran nicht nur materiell leiden.

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